Mikroskopische Aufnahme eines Virus

Genom-Architektur und Evolution von RNA-Viren

RNA-Viren stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit des Menschen dar und sind für Millionen von Todesfällen jedes Jahr verantwortlich. Das RNA-Genom steuert die Replikation dieser Viren und kodiert für eine Vielzahl von viralen Proteinen, die für die erfolgreiche Infektion einer Wirtszelle essentiell sind. Klassischerweise konzentriert sich die Infektionsforschung darauf, die beteiligten Virusproteine in ihrer Funktion zu hemmen und dadurch deren Replikation zu unterbinden. Inzwischen weiß man jedoch, dass das RNA-Genom nicht nur als passiver Informationsträger für virale Proteine fungiert, sondern durch die Tätigkeit von nicht-kodieren RNAs aktiven Einfluss auf die Replikation nimmt. Wir untersuchen die Struktur und Funktion von viralen nicht-kodierenden RNAs, mit dem Ziel unsere neu gewonnenen Erkenntnisse für die Entwicklung von zukunftsweisenden RNA-basierten Therapieansätzen einzusetzen. Diese Gruppe hat ihren Sitz am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI).

Dr. Redmond Smyth

Leitung

Dr. Redmond Smyth
Forschungsgruppenleiter

Unsere Forschung

Infografik zur Forschung der Gruppe

RNA ist ein funktionell sehr vielfältiges Molekül. Es kann mit Proteinen, sowie anderen kleinen Molekülen interagieren und gleichzeitig hochpräzise Basenpaarungen mit unterschiedlichen Nukleinsäuren eingehen. RNA-Viren nutzen diese Funktionsvielfalt in beinahe jeder Phase ihres Replikationszyklus‘: Sie verwenden nicht-kodierende RNA-Elemente, um das Spleißen von RNA-Molekülen und die Translation von Proteinen zu steuern, die Abwehrmechanismen der Wirtszelle zu umgehen, die virale Evolution zu beeinflussen und die Zugänglichkeit anti-viraler Wirkstoffe zu verändern. Nicht-kodierende RNAs stellen daher einen außerordentlich interessanten Angriffspunkt für anti-virale Interventionsstrategien dar und haben das Potential, die Behandlung von Infektionskrankheiten zu revolutionieren.

Wir verfolgen einen Forschungsansatz, der die Struktur, Funktion und Evolution von RNA vereint. Dieses integrative Prinzip ermöglicht es uns, neue nicht-kodierende RNA-Strukturen, die an der Virusreplikation und Evolution beteiligt sind, zu entdecken und diese mechanistisch zu charakterisieren. Ähnlich wie in der „Proteinwelt“, sind komplexe und übergeordnete Strukturen eher ausschlaggebend für die Funktion der RNA als deren primäre Sequenz. Wie genau die RNA-Struktur aber die biologische Funktion beeinflusst, ist bisher nur unzureichend erforscht. RNA-Moleküle neigen außerdem dazu, ihre Struktur fortwährend zu verändern. Demzufolge können RNA-Moleküle zwischen AN/AUS-Zuständen sowie verschiedenen Funktionen wechseln und spezielle Strukturen in unterschiedlichen Umgebungen oder in Anwesenheit von Liganden annehmen. Lange Zeit erschwerte diese Dynamik die Charakterisierung von RNA-Strukturen mit herkömmlichen biochemischen und biophysikalischen Methoden. Genau hier setzt unsere Forschung an. Wir konzentrieren uns speziell darauf, die komplexen Zusammenhänge zwischen RNA-Struktur und Funktion systematisch zu entwirren. Dabei arbeiten wir kontinuierlich an der Entwicklung neuer Methoden, die es uns ermöglichen, die Dynamik von RNA-Strukturen zu untersuchen. Unser erklärtes Ziel ist es, unsere gewonnenen Erkenntnisse langfristig dazu zu nutzen, auf vernünftige und verantwortungsbewusste Weise neue Wirkstoffe zu entwickeln, welche die RNA-Struktur gezielt beeinflussen und damit als neuartiges Instrument in der anti-viralen Therapie eingesetzt werden können.

Darüber hinaus versuchen wir zu verstehen welche Auswirkungen die RNA-Struktur auf die Evolution von Viren hat. Retroviren, wie z.B. HIV, verpacken je zwei Kopien ihres RNA-Genoms in einem sogenannten Viruspartikel. Während der Replikation des Virus‘ kann dann die Rekombination (sogenanntes „template switching“) dieser beiden RNA-Genome erfolgen und somit zur Entstehung von Genomchimären kommen. Eine andere, weitverbreitete Strategie zur Generierung genomischer Diversität findet sich vor allem bei Rota- und Influenzaviren. Diese Viren segmentieren ihr Genom, um es dann neu anzuordnen. Beides sind zufällige Prozesse, die grundsätzlich von der RNA-Sequenz und Struktur anhängig sind. Dennoch sind die zugrundeliegenden Prinzipien und konkreten Mechanismen weitestgehend unerforscht. Wir wollen diese Mechanismen entschlüsseln und dadurch die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Verhütung und Bekämpfung von viralen Infektionen verbessern. Auf der Bevölkerungsebene versuchen wir, das Auftreten neuer Virusstämme zu verstehen, z.B. wie aus Influenzaviren, die in Schweinen oder Vögeln auftreten, durch genetische Neuordnung des viralen Genoms potentiell pandemische Influenzaviren hervorgehen können.