Das Mikrobiom - Nur gemeinsam sind wir stark

Darmbakterien
Darmbakterien.

Das Mikrobiom leistet also einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesundheit, allerdings sind die Zusammensetzung und die genaue Funktion noch nicht genau bekannt.  Ähnlich wie ein tropischer Regenwald ist auch das Mikrobiom ein komplexes Ökosystem. Nur durch ein perfektes Zusammenspiel der verschiedenen Organismen funktioniert es.

Wenn wir unseren Körper im Spiegel betrachten, dann nehmen wir meist nur uns selbst wahr. Den Menschen, den selbständigen Organismus. Was wir nicht sehen, sind all die Alliierten in uns und auf uns: Mikroskopisch kleine Verbündete, die uns immer begleiten, uns unterstützen und oft auch gegen Feinde verteidigen. Sie sind für uns unsichtbar, aber wir bilden dennoch eine symbiotische Gemeinschaft mit ihnen und können nicht ohneeinander. Die Milliarden von Mikroorganismen, also Bakterien, Viren und andere, die uns vor allem im Darm, aber auch auf der Haut und auf anderen Körperregionen besiedeln, sind von zentraler Bedeutung für uns. Diese Lebensgemeinschaft nennen Experten das „Mikrobiom“. 

Zwar bilden wir als Wirtsorganismus Mensch mit etwa 99 % den deutlich größten Teil der Biomasse, also des Gewichts dieser Gemeinschaft. Vergleicht man aber die Anzahl der menschlichen Körperzellen mit den sehr viel kleineren Mikroben,  sieht es anders aus. Lange ging man davon aus, dass die Mikroben mit 10 zu 1 in der Überzahl seien. Neue Schätzungen geben an, dass Mikroorganismen und Wirtszellen etwa im Verhältnis 1:1 stehen. Die Darmbakterien helfen uns bei der Verdauung und schützen uns sogar vor Krankheitserregern.

Durch die dichte Besetzung der Lebensräume auf der Darmwand ist kein Platz für krankmachende Erreger. Die „guten“ Bakterien verteidigen uns sozusagen gegen die „bösen“. Außerdem trainieren sie unser Immunsystem. Studien haben gezeigt, dass die sich entwickelnde Darmflora entscheidend zur Ausbildung unseres Immunsystems beiträgt.  Mäuse, die komplett ohne Bakterienflora im Darm aufwachsen, also keimfrei sind, besitzen später beispielsweise nur ein stark unterentwickeltes Immunsystem.

Die Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms ist sehr variabel und wird unter anderem von der Ernährung, der Immunkompetenz und Medikamenten beeinflusst. In der Regel leben wir als Wirt zwar friedlich mit unserem Mikrobiom zusammen, allerdings können sich auch Krankheitserreger hinzugesellen. Pathogene siedeln sich vor allem dann an, wenn das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht gebracht ist.

Solche Störungen können sowohl von inneren als auch von äußeren Faktoren ausgelöst werden. Eine Behandlung mit Antibiotika beispielsweise soll in erster Linie krankmachende Bakterien abtöten, richtet sich aber  teilweise auch gegen die vorhandenen „guten“ Bakterien. Auch bei vielen menschlichen Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes und entzündlichen Darmerkrankungen kann man das beobachten. Solche Erkrankungen können auf eine Störung des Mikrobioms folgen, sie können aber auch selbst der Auslöser dafür sein.

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Salmonellen im Darm
Eine gesunde Mikroflora in unserem Darm macht uns weniger anfällig für gefährlichen Keime, wie etwa Salmonellen.

Tatsächlich kann man heute sogar aufgrund einer Untersuchung der Mikroflora auf den Gesundheitszustand eines Patienten schließen. Mediziner können zwischen einer gesunder und gestörter Gemeinschaft von Mikroorganismen im Mund, auf der Haut oder im Genitalbereich unterscheiden und aufgrund dessen Diagnosen stellen.  

Das Mikrobiom leistet also einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesundheit, allerdings sind die Zusammensetzung und die genaue Funktion noch nicht genau bekannt.  Ähnlich wie ein tropischer Regenwald ist auch das Mikrobiom ein komplexes Ökosystem. Nur durch ein perfektes Zusammenspiel der verschiedenen Organismen funktioniert es. Gleichzeitig ist das ein Grund, warum es so fragil ist.

Die Herausforderung für die Mikrobiomforschung ist es, dieses komplexe Geflecht im Detail zu verstehen, die Zusammenhänge zu erkennen und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Körper zu entschlüsseln. Eine Hürde, die es bei der Erforschung zu überwinden gilt ist allerdings auch, dass bei weitem nicht alle Organismen bekannt sind. Das bedeutet, dass man oft zwar weiß, wie viele Bakterienarten dem Mikrobiom angehören, aber nicht, welche Funktion jede einzelne Art hat oder was sie zum Überleben braucht.

Am HZI untersucht die Forschungsgruppe „Mikrobielle Immunregulation“ von Till Strowig, wie diese mikrobiellen Gemeinschaften Infektionskrankheiten beeinflussen und wie sie manipuliert werden können, um Krankheiten zu behandeln. Dafür nutzen sie gut definierte Modellsysteme – wie beispielsweise Mäuse mit spezifischem Mikrobiom – und ein breites Spektrum an Methoden.

Damit haben sie die Chance, das Wechselspiel zwischen dem Immunsystem des Wirtes, den besiedelnden Mikroorganismen und den  bakteriellen sowie viralen Pathogenen zu analysieren. Das Verständnis der zugrundeliegenden regulatorischen Netzwerke kann zu neuen  Medikamenten oder Therapieformen führen, mit denen sich Infektionskrankheiten, die jedes Jahr Millionen Menschenleben kosten, behandeln oder sogar verhindern lassen.

Beteiligte Forschungsgruppen