Atemwegserkrankungen sind häufig schwierig zu behandeln, da die Arzneimittel biologische Schranken überwinden müssen, beispielsweise Gewebe und Schleimhaut der Atemwege, und daher hochdosiert verabreicht werden müssen, damit eine wirksame Menge des Mittels den Zielort erreicht. Forscher aus Deutschland, Brasilien und Frankreich ist nun der Nachweis gelungen, dass die Anwendung von Nanoteilchen - als Träger von Antibiotika über biologische Schranken hinweg - sich als wirksam bei der Behandlung von Lungeninfekten erweisen kann. Auf diese Weise wird eine verbesserte Anlieferung des Arzneimittels zum Infektionsort erreicht und somit die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen verhindert, die durch eine übermässig hohe und lang anhaltende Dosierung von Antibiotika verursacht werden kann. Darüber hinaus kann dieser Ansatz dem raschen Stoffwechselabbau und der Ausscheidung des Antibiotikums aus dem Körper entgegen wirken, die bei der Verabreichung über traditionelle Wege, entweder oral oder intravenös, auftreten.
Im Rahmen ihres Vortrags bei der 13. European Respiratory Society Lung Science Conference in Estoril stellte Frau Dr. Cristiane Carvalho-Wodarz vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland in Saarbrücken (Deutschland) die Arbeit ihres Teams vor. Durch die Entwicklung von Nanoteilchen als Trägern für Clarithromycin, einem häufig zur Behandlung von Atemwegsinfekten eingesetzten Antibiotikum, konnte ihre Arbeitsgruppe den Prozess nachahmen, der nach der Inhalation unter In vivo-Bedingungen stattfindet. Dabei wurde das Arzneimittel durch Aerosolniederschlag zu den Lungenzellen angeliefert. Die Nanoteilchen mit einer Größe im Bereich von Viren - und somit nur einem Millionstel der Größe eines Tennisballs - wurden durch Zugabe eines biologisch abbaubaren Polymeröls, eines Stabilisierungsmittels und Clarithromycin - in Lösungsmitteln gelöst - zu einer wässrigen Tensidlösung zubereitet. Anschließend wurden die Lösungsmittel vollständig entfernt. "Diese Art der Anlieferung von Nanoteilchen ermöglicht deren Abscheidung in Zellen, die unter In-vitro-Bedingungen gezüchtet wurden - und zwar auf ähnliche Weise wie bei der Abscheidung in vivo, die in den Alveolen (in den Atemwegen vorhandene Luftsäckchen) stattfindet", wird Dr Carvalho-Wodarz sagen.
In den Experimenten verwendeten die Forscher das Bakterium Staphylococcus aureus als Modell, da es eine der häufigsten Ursachen von Krankenhaus-erworbenen Infekten darstellt und zudem eine entscheidende Rolle auch bei den Lungeninfekten besitzt, die häufig bei Mukoviszidose, einer genetischen Störung, auftreten. Die winzigen Clarithromycin-Nanoteilchen (CLARI-NPs) waren in der Lage, zu den Bakterien zu gelangen, die sich entweder in Biofilmen (cells auf einer Oberfläche aneinander haftend) oder im Inneren von individuellen Lungenzellen befanden. "Keiner dieser Orte eignet sich für eine effektive Anlieferung des Arzneimittels über die traditionellen Wege", sagt Dr. Carvalho-Wodarz, “so dass wir froh waren zu sehen, dass die Anwendung von CLARI-NPs die Aufnahme des Antibiotikums durch Lungenzellen ermöglichte und darüber hinaus bei keinem der von uns getesteten Zelltypen toxische Effekte zeigte”.
Diese Arbeiten wurden bisher in vitro durchgeführt, in menschlichen Bronchienzellen. Die Forscher hoffen, die Wirksamkeit nun auch in einem Tiermodell, wahrscheinlich bei Mäusen, evaluieren zu können. Die gleichen Nanoteilchen möchten die Forscher auch mit anderen Arzneimitteln gegen Lungeninfekte beladen und zwar insbesondere solchen, bei denen der Erreger nach der möglicherweise erforderlichen langfristigen Gabe von hohen Dosierungen eine Resistenz gegenüber dem Arzneimittel entwickelt.
"Nanoteilchen zur Anlieferung von Arzneimitteln zu lokalen Infektionssiten einzusetzen, ist eine vielversprechende Strategie zur Vermeidung von Nebenwirkungen, zur Steigerung der Wirksamkeit der Behandlung und zur Überwindung der Resistenzbildung. Die von uns entwickelten Nanoteilchen besitzen eine Reihe von Vorteilen als Arzneimittelträger; sie lösen keine toxische Wirkung aus, sie sind hochstabil, sie setzen das Arzneimittel über eine längere Zeitspanne hinweg frei und sie können zelluläre Schranken überwinden. Unserer Ansicht nach verspricht unsere Formel, die antibakterielle Wirksamkeit zu verbessern, was bei Patienten mit Lungeninfekten hilfreich sein könnte, denn das Antibiotikum kann den Infektionsort unmittelbar erreichen und es treten daher weniger Nebenwirkungen auf als bei den traditionellen Verabreichungswegen", lautet die Schlussfolgerung von Frau Dr. Carvalho-Wodarz.
Die Zusammenfassung des Vortrags ist hier erhältlich: https://drive.google.com/file/d/0B4Dvhd__O5KVUDdBdklTdmg1dHM/view?usp=sharing
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