In einem kürzlich veröffentlichten Bericht warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor der Gefahr zunehmender Antibiotika-Resistenzen. WHO-Vizechef Keiji Fukuda sprach sogar von der Gefahr einer "Post-Antibiotika-Ära", in der eigentlich besiegt geglaubte Infektionskrankheiten wieder tödlich enden könnten.
Doch was kann man dagegen tun? Wie ernst ist die Lage in Deutschland? Ist es noch möglich, die Situation zu retten? Prof. Gérard Krause, Leiter der Abteilung „Epidemiologie”, und Prof. Mark Brönstrup, Leiter der Abteilung „Chemische Biologie“, am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) sowie Prof. Rolf Müller, Geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und Leiter der Abteilung „Mikrobielle Naturstoffe“, äußern sich zur aktuellen Lage und ordnen den Bericht der WHO ein.
Seit der Entdeckung des Penicillins im Jahr 1928 sind Antibiotika zu einem der wichtigsten Instrumente in der Behandlung von Infektionskrankheiten geworden. Sie galten gar als Wunderwaffe, die das Zeitalter der Infektionskrankheiten endgültig beenden würde. Doch diese Zeiten sind vorbei, denn Antibiotika-Resistenzen von Bakterien nehmen weltweit zu.
„In Deutschland ist die Lage nicht so dramatisch wie in vielen anderen Teilen der Welt, aber auch keineswegs entspannt. Die Zahl der nicht oder zumindest nicht mit den üblichen Medikamenten therapierbaren Infektionserkrankungen nimmt gerade durch die multiresistenten Keime zu“, sagt Müller. Diese sind gegen mehrere verschiedene Antibiotika unempfindlich. Das größte Problem sind den HZI-Experten zufolge dabei die Gram-negativen Erreger, wie beispielsweise die im WHO-Bericht untersuchten Escherichia coli und Pseudomonaden, die Harnwegsinfektionen beziehungsweise Lungenentzündungen hervorrufen können. „Es befinden sich erschreckend wenige Substanzen gegen Gram-negative Bakterien in der Entwicklungsphase, weil es schwierig ist, Stoffe zu finden, die die Zellwand dieser Bakterien durchdringen können und nicht gleich wieder ausgeschleust werden“, sagt Brönstrup.
„Es sollte unbedingt mehr getan werden, um einen andernfalls drohenden signifikanten Rückgang des Therapiestandards zu vermeiden“, sagt Müller. Ansatzpunkte für eine Lösung des Problems gibt es jedoch. „Die wirksamste Maßnahme zur Eindämmung des Problems ist, Antibiotikaverordnung und -einnahme zielgerichtet zu betreiben“, sagt Krause. „Es ist wichtig, dass Antibiotika von Ärzten nicht unnötig verschrieben werden, dass immer die für eine Krankheit sinnvollsten Antibiotika verordnet werden und dass Antibiotika von den Patienten so eingenommen werden, wie von den Ärzten angeordnet.“
Ebenso wichtig sind aus seiner Sicht die Präventionsmaßnahmen, mit denen sich Infektionen vermeiden lassen: „Gute Hygiene in Krankenhäusern und in der Lebensmittelproduktion sind dabei genauso entscheidend wie Impfungen.“ Darüber hinaus sind die Forschung und die Suche nach neuen Medikamenten wesentliche und unabdingbare Elemente im Kampf gegen Resistenzen.
„Die Forschung sollte den Erregern immer einen Schritt voraus sein. Es ist keine Frage, ob Resistenzen auftreten, sondern wann. Deshalb sind Grundlagenforschung und die Überführung der Ergebnisse in die medizinische Anwendung in diesem Bereich so wichtig“, sagt Müller. Vor allem auch, weil der mangelnde Nachschub an neuen Antibiotika in den letzten Jahren strukturell bedingt ist. „Zum einen sind nur noch wenige Pharmafirmen auf dem Gebiet tätig und zum anderen ist die Naturstoff-Forschung als ergiebigste Quelle neuer Antibiotika in den letzten Jahren vernachlässigt worden“, so Brönstrup.
Seine Arbeitsgruppe hat es sich zum Ziel gesetzt, neue Wirkstoffe zu entdecken, ihre Funktionsweise zu charakterisieren und ihre Eigenschaften zu optimieren. „Durch Forschung wie diese versucht das HZI, aktiv in den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen einzugreifen“, sagt Brönstrup.
Dabei werden die HZI-Wissenschaftler auch von der Politik unterstützt. Das 2011 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gegründete Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ermöglicht eine enge Kooperation von Forschungseinrichtungen mit einem Schwerpunkt auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten. Das erleichtert es den Forschern, die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in die medizinische Anwendung zu überführen.
Denn in einem Punkt sind sich die Experten weltweit einig. Um die Rückkehr bereits besiegter Krankheiten zu verhindern, muss schnell und an verschiedenen Fronten etwas bewegt werden. Warnungen wie die von der WHO ausgesprochene können dabei nur von Vorteil sein.