„Wir setzen große Hoffnung in diesen Wirkstoffkandidaten“, erklärt Dr. Martin Empting, der das Projekt am HIPS/HZI gemeinsam mit Prof. Rolf Hartmann und Dr. Thomas Hesterkamp durchführt. Denn anders als ein Antibiotikum töte die Substanz das Bakterium nicht, sondern störe dessen Fähigkeit, den Wirt zu schädigen und sich durch Biofilmbildung vor dem Immunsystem zu schützen. „Das Bakterium wird durch diesen Pathoblocker auch anfälliger für eine parallele antibiotische Therapie“, fügt Empting hinzu.
Der Wirkstoff, der den bakteriellen Rezeptor PqsR (häufig auch „MvfR“ genannt) angreift, wirkt selektiv und spezifisch gegen Pseudomonas aeruginosa und verschont damit andere Bakterien, die von Nutzen sein können. Das auch als Krankenhauskeim gefürchtete Bakterium wird auf der „Priority Pathogens List“ der WHO als einer der drei wichtigsten Erreger zur Entwicklung neuer Wirkstoffe aufgeführt. Es befällt Atem- und Harnwege oder Wunden und löst gefährliche Infektionen aus, die sehr schwierig zu behandeln sind. Besonders häufig betroffen sind Patienten, die an Mukoviszidose leiden – hier verursacht P. aeruginosa chronische Lungeninfektionen, die permanent mit Antibiotika in Schach gehalten werden müssen. Aber auch Patienten, die an obstruktiven Atemwegserkrankungen oder erweiterten Bronchien, sog. Bronchiektasen leiden, sind vor diesem Erreger nicht sicher. Zunehmende Antibiotikaresistenzen erschweren auch hier eine erfolgreiche Behandlung.
Ein Molekül blockiert Virulenzfaktoren und Biofilm-Strukturen
Die Wissenschaftler haben beide Patientengruppen im Blick, wenn sie ihre Leitstruktur optimieren. Das Ausgangsmolekül, so konnten sie in verschiedenen Testsystemen nachweisen, hat gute Voraussetzungen zum erfolgreichen Wirkstoff: Die Pathoblocker hemmen die Funktion des Rezeptors PqsR, der eine Schlüsselrolle im Infektionsgeschehen von Pseudomonas aeruginosa spielt. Über diesen Rezeptor reguliert das Bakterium seine gruppenspezifische Virulenz und damit Faktoren, die für die Infektionsschwere zuständig sind. Der Wirkstoffkandidat unterdrückt zum einen diesen Virulenz-Prozess, zum anderen senkt er nachweislich auch die Masse an Biofilm, einer Matrix, die von Pseudomonaden gebildet wird und die Bakterien vor Angriffen des Immunsystems schützt. Mit der Bildung eines Biofilms wird eine Infektion in der Regel chronisch und schwerer behandelbar.
Auf dem Weg vom Molekül zum Produkt
Nun sind die Wirkstoff-Designer am Zuge. Sie werden die Struktur des Moleküls so lange verändern, bis es die für einen Wirkstoff notwendigen Eigenschaften aufweist. Dazu gehört beispielsweise eine hohe Wirksamkeit an der Zielstruktur, hohe Selektivität und eine gute Verfügbarkeit am Wirkort. Das Ziel der Forscher für die kommenden zwei Jahre ist ein präklinischer Profilierungskandidat, der dann in Kollaboration oder im Rahmen einer Firmenausgründung weiterentwickelt werden kann. In besonderer Weise erfüllt das Projekt damit auch den Anspruch des DZIF, translationale Forschung zu unterstützen und den Weg zu neuen Medikamenten zu ebnen.
„Am Ende der Entwicklung soll ein Wirkstoff stehen, der von Patienten mit chronischen Lungeninfektionen inhaliert werden kann“, erklärt Empting. Dabei sehen die Wissenschaftler derzeit eine Anwendung als Begleittherapie zu Antibiotika als einen vielversprechenden ersten Anwendungsbereich. „Die Entwicklung von Pathoblockern ist eine wichtige Option, um das Problem schwer therapierbarer chronischer Infektionen nachhaltig in den Griff zu bekommen“, ist Empting sicher.
Kontakt:
Prof. Rolf Hartmann
Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland und
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
T: +49 681 98806 2001
Email: rolf.hartmann@helmholtz-hzi.de
Dr. Martin Empting
HIPS und DZIF
T: +49 681 98806 2031
Email: martin.empting@helmholtz-hzi.de
Über das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung
Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit circa 500 Wissenschaftler aus 35 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Ziel ist die sogenannte Translation: die schnelle, effektive Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis. Damit bereitet das DZIF den Weg für die Entwicklung neuer Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente gegen Infektionen. Weitere Informationen: <link www.dzif.de _blank link-extern>www.dzif.de</link>.