Im Sicherheitsstufe 3-Labor am HIRI infizierten die Wissenschaftler menschliche Zellen mit dem neuen Coronavirus, das RNA als genetisches Material nutzt. In einem zweiten Schritt reinigten sie die virale RNA auf und identifizierten die daran gebundenen Proteine. „Die Massenspektrometrie erlaubt es uns, die Wirtsproteine, die direkt mit dem Virusgenom assoziieren, genau zu bestimmen. In diesem speziellen Fall waren wir in der Lage, quantitative Messungen durchzuführen, um die stärksten spezifischen Bindungspartner zu identifizieren“, sagt Mathias Munschauer.
18 Proteine, 2 Schlüsselfaktoren und 20 potenzielle Inhibitoren
„Der auf diese Weise erstellte Atlas der RNA-Protein-Interaktionen bietet einzigartige Einsichten in SARS-CoV-2-Infektionen und ermöglicht die systematische Aufschlüsselung von zentralen Faktoren und Abwehrstrategien, eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien“, sagt Jochen Bodem. Insgesamt identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 18 Wirtsproteine, die während einer SARS-CoV-2-Infektion eine wichtige Rolle spielen.
Besonders interessant sind nach ihren Worten die beiden Faktoren CNBP und LARP1. Mit Hilfe genetischer Methoden identifizierten die Autoren die genauen Bindungsstellen dieser beiden Wirtsproteine im viralen Genom und zeigen, dass sie die Vermehrung des Virus gezielt hemmen können. Laut Mathias Munschauer ist die Charakterisierung von LARP1 als antiviralem Faktor eine entscheidende Erkenntnis: „Die Art und Weise, wie LARP1 an die virale RNA bindet, ist sehr interessant, denn sie ähnelt der Art wie LARP1 bestimmte zelluläre Boten-RNAs reguliert, die wir bereits kennen. Das wiederum gibt Einblicke in mögliche Wirkmechanismen.“
Der fächerübergreifende Charakter der Studie ermöglichte zudem die Identifikation von 20 niedermolekularen Inhibitoren von Wirtsproteinen, die SARS-CoV-2-RNA binden. Die Autoren zeigen, dass drei von vier getesteten Inhibitoren tatsächlich die virale Vermehrung in verschiedenen menschlichen Zelltypen hemmen. Dieses Ergebnis könnte neue Wege zur Behandlung von Infektionen mit SARS-CoV-2 und anderen RNA-Viren eröffnen.
Zur Pressemitteilung der JMU.
Originalpublikation
Schmidt N, Lareau C, Keshishian H, Ganskih S, Schneider C, Hennig T, Melanson R, Werner S, Wei Y, Zimmer M, Ade J, Kirschner L, Zielinski S, Dölken L, Lander ES, Caliskan N, Fischer U, Vogel J, Carr SA, Bodem J, Munschauer M (2020) The SARS-CoV-2 RNA-protein interactome in infected human cells. Nature Microbiology in press, https://doi.org/10.1038/s41564-020-00846-z