Manfred Eigen wurde so häufig geehrt wie kaum ein anderer deutscher Wissenschaftler. Den Nobelpreis hatte Eigen 1967 für seine Arbeiten zu ultraschnellen chemischen Reaktionen erhalten. Als erster Wissenschaftler hatte er die winzigen Zeiträume solcher Prozesse gemessen. Neben dem Nobelpreis, den er schon mit 40 Jahren erhielt, wurden ihm eine große Anzahl weiterer renommierter Preise, darunter der Otto-Hahn-Preis für Chemie und Physik (1962), der Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Preis (1992) sowie der Lifetime Achievement Award des Institute of Human Virology in Baltimore (2005), verliehen.
Prof. Manfred Eigen beschäftigte sich auch mit Fragen der Evolution und gilt als Mitbegründer der sogenannten evolutiven Biotechnologie sowie als einer der Vorreiter der Molekularbiologie in Deutschland. Er gründete das Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und war einer der Gründer des Vorgängerinstituts des heutigen Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung. Gemeinsam mit Prof. Hans Herloff Inhoffen, in den 60er Jahren eine Autorität an der Technischen Universität Braunschweig, unterstützte er die Idee eines molekularbiologischen Instituts in Braunschweig. Eigen erkannte sofort die wissenschaftlichen Chancen, die in einer solchen Einrichtung liegen, und verband sie als Querdenker mit den Herausforderungen der Zeit. Das von Inhoffen und Eigen 1965 gegründete Institut für Molekulare Biologie, Biochemie und Biophysik (IMB), das später in die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) überging, ist ein Musterbeispiel dafür, dass in Braunschweig die Chancen interdisziplinärer Forschung frühzeitig erkannt wurden.
Mit dem Tod von Manfred Eigen verlieren wir einen herausragenden Denker, genialen Forscher und großen Mahner für die Grundlagenforschung.
„Eigen stellte die Grundlagenforschung stets in den Kontext großer Fragen, die es zu beantworten gilt, wie ein grundlegendes Verständnis von Enzymreaktion und Katalyse, das dann den Weg zur erfolgreichen Biotechnologie gebahnt hat und Gründungen wie die GBF ermöglichte. Das heutige HZI hat seinen Forschungsfokus auf eine Grundlagenforschung gesetzt, die ihre Ergebnisse schnell in die Anwendung transferiert – mit dem Schwerpunkt, Infektionskrankheiten erfolgreich zu bekämpfen“, sagt Prof. Dirk Heinz, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung.
Werdegang Manfred Eigen
Manfred Eigen wurde 1927 in Bochum geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er Chemie und Physik in Göttingen, unter anderem bei Werner Heisenberg und Wolfgang Paul. Mit nur 24 Jahren schloss er seine Promotion in physikalischer Chemie bei Arnold Eucken ab. 1953 wechselte er als Assistent zu Karl Friedrich Bonhoeffer an das MPI für physikalische Chemie, wo er an der Messung ultraschneller Reaktionen forschte und die Relaxationsmethoden entwickelte. Vier Jahre nach der ersten Vorstellung dieser Methoden berief ihn die Max-Planck-Gesellschaft 1958 als Wissenschaftliches Mitglied und er wurde Direktor und Leiter der Abteilung Chemische Kinetik am Göttinger MPI für physikalische Chemie. Nach der Gründung des MPI für biophysikalische Chemie leitete er dort von 1971 bis zu seiner Emeritierung 1995 die Abteilung Biochemische Kinetik. In den Ruhestand ging Eigen allerdings nicht: Am MPI für biophysikalische Chemie sowie am Scripps Research Institute in La Jolla (Kalifornien, USA) blieb er bis ins hohe Alter wissenschaftlich aktiv. Von 1965 an hatte Eigen auch eine Honorarprofessur an der Technischen Universität in Braunschweig.