Immunzellen unterhalten sich mit Hilfe molekularer Botenstoffe. Eine Gruppe dieser Substanzen sind Interferone. Kommt es zum Beispiel zu einer Virusinfektion, produziert das Immunsystem verstärkt das sogenannte Beta-Interferon. Damit alarmiert es Immunzellen, so dass sie bei der Bekämpfung der Infektion helfen. Außerdem haben Beta-Interferone tumorbekämpfende Eigenschaften und – als Therapeutikum gegen Multiple Sklerose – eine wichtige medizinische Bedeutung. Forscher aus der Arbeitsgruppe „Molekulare Immunologie“ des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) konnten nun zeigen, dass Beta-Interferon eine weitere entscheidende Aufgabe bei einer Immunantwort haben: Ohne Beta-Interferon können Immunzellen anderen Zellen keine „Steckbriefe“ von Krankheitserregern mehr anzeigen. Die Immunantwort startet nicht richtig, weil das Immunsystem nicht weiß, wie der Krankheitserreger aussieht, den es bekämpfen muss. Die Ergebnisse veröffentlichte jetzt das Wissenschaftsmagazin „Journal of Immunology“ in seiner aktuellen Ausgabe.
Liegt eine Infektion vor, schütten Immunzellen Beta-Interferon aus. Eine Immunantwort fällt aber noch viel stärker aus, wenn eine niedrige Menge an Beta-Interferon bereits vor der Infektion im Körper vorhanden ist – eine Beobachtung, die Forscher „Priming“ nennen. Mit einem gesunden Pegel an Beta-Interferon gelingt es dem Körper schneller, auf eine Infektionsgefahr zu reagieren. Die HZI-Wissenschaftler konnten jetzt zeigen, warum das so ist: Beta-Interferone spielen eine entscheidende Rolle dabei, dem Immunsystem Bruchstücke von Krankheitserregern anzuzeigen. Diese sogenannten Antigene präsentieren Immunzellen auf ihrer Oberfläche. Sie sind ein Steckbrief des Virus oder Bakteriums, das es zu bekämpfen gilt.
Auf die besondere Rolle der Beta-Interferon stießen die Forscher in Mäusen, denen das Gen für Beta-Interferon fehlte. Ohne Beta-Interferon zeigten die Tiere nur schlechte Immunantworten. „Ohne diese Mäuse wären wir nicht auf die besondere Rolle von Beta-Interferon gestoßen“, sagt Siegfried Weiß, Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Immunologie“ am HZI. Die Forscherin Natalia Zietara untersuchte daraufhin, was Beta-Interferon in Immunzellen auslöst: Sie fand einen molekularen Faktor, der von Beta-Interferon aktiviert wird und für die Erstellung des „Steckbriefs“ entscheidend ist. Der Faktor gehört zu einer Klasse von Proteinen, die eine Zelle normalerweise unter Stressbedingungen bildet. Ohne Beta-Interferon, kein aktives Stressprotein – ohne Stressprotein, kein Steckbrief – ohne Steckbrief, keine Immunantwort.
„Wir haben nun ein viel besseres Verständnis davon, wie Immunantworten gestartet werden aber auch wie Autoimmunkrankheiten entstehen könnten“, sagt Weiß: Ohne Beta-Interferon kann das Immunsystem während der Embryonalentwicklung möglicherweise nicht lernen, dass es eigene Strukturen nicht bekämpfen darf und sich selbst tolerieren muss. „Unsere Erkenntnisse könnten dazu führen, neue Therapien gegen Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder gegen Krebs zu entwickeln oder bestehende Therapien zu verbessern.“
Originalartikel: Zietara N, Lyszkiewicz M, Gekara N, Puchalka J, Dos Santos VA, Hunt CR, Pandita TK, Lienenklaus S, Weiss S. Absence of IFN-beta impairs antigen presentation capacity of splenic dendritic cells via down-regulation of heat shock protein 70. J Immunol. 2009 Jul 15;183(2):1099-109.