Für manche Menschen ist es Gewissheit: Sobald die jährliche Grippesaison anfängt, erwischt es sie auf jeden Fall. Da tröstet es wenig, dass es andere Menschen gibt, die scheinbar resistent sind gegen die Grippe oder die Krankheit nach ein paar Tagen auskuriert haben. Genau dieses Phänomen untersuchten nun Forscher am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) anhand verschiedener Mausstämme. „Während sich viele wissenschaftliche Arbeiten lediglich mit dem Grippevirus befassen, haben wir untersucht, wie die Wirtsseite auf eine Infektion reagiert“, sagt Klaus Schughart, Leiter der Arbeitsgruppe „Experimentelle Mausgenetik“. In Infektionsversuchen fanden die Forscher nun heraus, dass eine überschießende Immunantwort in Mäusen für den tödlichen Krankheitsausgang verantwortlich ist. Diese Überreaktion ist genetisch veranlagt. Ihre Ergebnisse veröffentlichte jetzt das Wissenschaftsmagazin „PLoS One“.
Für ihre Untersuchungen infizierten Forscher sieben verschiedene Maus-Inzuchtstämme mit derselben Menge Grippeviren vom Typ „Influenza A“. Innerhalb eines Mausstamms sind die Tiere alle genetisch identisch, wie eineiige Zwillinge. Ein Stamm unterscheidet sich aber von einem anderen wie verschiedene Individuen in der menschlichen Bevölkerung. Zu ihrer Überraschung konnten die Forscher starke Unterschiede beim Grippeverlauf zwischen den sieben Stämmen finden. Bei fünf Stämmen verlief die Erkrankung glimpflich: Die Tiere verloren an Gewicht, erholten sich aber nach sieben bis acht Tagen wieder vollständig. Bei zwei Mausstämmen hingegen kam es zu einem rapiden Gewichtsverlust und die Tiere starben nach wenigen Tagen.
Die Forscher suchten nach Gründen für diese Unterschiede: Sie erforschten dazu, wie das Immunsystem der Tiere auf das Virus reagiert. „Die Mäuse sterben an ihrer eigenen Immunabwehr, die sie eigentlich vor dem Virus schützen soll. Das Immunsystem produziert zu viele Botenstoffe, die Immunzellen stark aktivieren. Diese Zellen töten dann virusinfizierte Gewebezellen in den Lungen“, sagt Schughart. Gleichzeitig zerstören diese überaktiven Zellen aber auch gesundes Lungengewebe. In Mäusen, die starben, fanden die Forscher außerdem hundert Mal mehr Viren als in Tieren, die überlebten. „Es scheint, als besitzen die Tiere bestimmte Rezeptoren auf ihren Zellen, die sie empfänglicher machen für eine schwere Virusinfektion.“ Ähnlich könnte es bei einer Grippeinfektion im Menschen aussehen, auch hier könnten genetische Faktoren einen schweren Krankheitsverlauf begünstigen. „Wir beginnen erst zu verstehen, welche Rolle die genetischen Faktoren des Wirts spielen und was eine erhöhte Empfänglichkeit bei einer Grippe begründet“, sagt Schughart.
Jährlich sterben zwischen 10.000 und 30.000 Menschen in Deutschland an einer Grippe, meist durch den Erreger vom Typ „Influenza A“. Von dem Haupttyp A gibt es verschiedene Subtypen, bei denen sich die Zusammensetzung der Virushülle unterscheidet. H1N1 und H3N2 sind die verbreitetesten Grippestämme beim Menschen, H5N1 das bekannte Vogelgrippe-Virus. Das „H“ steht für das Protein Hämagglutinin, mit dem das Virus an Zellen des Atemweges andockt und diese infiziert. Damit die neu hergestellten Grippeviren die Wirtszellen verlassen können, benötigen sie wiederum die Neuraminidase („N“). Um einer Immunantwort zu entgehen, ändert das Virus die Merkmale „H“ und „N“ ständig. Mal leicht, mal stark: Dann entsteht ein vollkommen neuer Virussubtyp mit neuer Nummer, auf den meist eine weltweite schwere Grippepandemie folgt.
Originalartikel: Srivastava B, Błażejewska P, Heßmann M, Bruder D, Geffers R, et al. 2009 Host Genetic Background Strongly Influences the Response to Influenza A Virus Infections. PLoS ONE 4(3): e4857. doi:10.1371/journal.pone.0004857
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