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Die fehlgeleitete Friedenstruppe des Körpers

Forscher aus Braunschweig und Hannover zeigen, wie die Zerstörung bestimmter Immunzellen helfen kann, Krebs zu bekämpfen.

 Um einer Abwehr durch das Immunsystem zu entgehen, bedienen sich Krebszellen einer Reihe von raffinierten Mechanismen. Einer hiervon: Sie locken Zellen an, die in der Lage sind, Immunantworten zu unterdrücken – und verhindern so, dass der Körper die bösartigen Tumorzellen erkennt und bekämpft. Wissenschaftler der Arbeitsgruppe „Experimentelle Immunologie“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig konnten nun in einer Zusammenarbeit mit Forschern des Instituts für Infektionsimmunologie am TWINCORE in Hannover zeigen, dass die zielgenaue Ausschaltung dieser unterdrückenden Immunzellen hilft, Tumore in Mäusen zurückzudrängen. Die Ergebnisse dieses gemeinsamen Projektes von HZI und TWINCORE haben die Forscher jetzt in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Cancer Research“ veröffentlicht. 

Diese speziellen Immunzellen heißen Regulatorische T-Zellen, „und man könnte sie als die Blauhelmsoldaten des Immunsystems bezeichnen“, sagt Professor Jochen Hühn, Leiter der Arbeitsgruppe „Experimentelle Immunologie“ am HZI, „sie unterdrücken Abwehrreaktionen und beruhigen sozusagen scharf geschaltete Immunzellen.“ Regulatorische T-Zellen, kurz Tregs, können unterscheiden, welche in den Körper eindringenden Strukturen potenziell gefährlich oder harmlos sind. Sie schützen so den Körper vor Allergien. Tregs unterdrücken aber auch Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigene Zellen und Gewebe angreift. Tumore machen sich diese Eigenschaften der Tregs zunutze: Sie locken die Blauhelmsoldaten mit Botenstoffen zu sich. Dadurch verhindern sie, dass die Immunabwehr die veränderten Körperzellen als fremd und gefährlich erkennt und abtötet.

„Krebsforscher haben die besondere Bedeutung der Tregs bei der Tumortherapie bereits vor einigen Jahren erkannt“, sagt Tim Sparwasser, Direktor des Instituts für Infektionsimmunologie am TWINCORE in Hannover. „Bisher scheiterten jedoch viele Versuche, Tregs zu auszuschalten oder vom Tumor wegzubewegen und so eine gewünschte Immunantwort zu ermöglichen. Das Problem: Tregs ähneln jenen Zellen, die den Tumor bekämpfen. Substanzen, die Tregs stoppen, beeinträchtigen demnach auch häufig die für die Bekämpfung des Tumors notwendigen Immunzellen.“

Die Forscher um Jochen Hühn vom HZI und Tim Sparwasser vom TWINCORE haben nun eine Methode entwickelt, mit der sie gezielt nur die Tregs ausschalten können. Sie haben ein Gen in die Erbinformation von Labormäusen eingebracht, das ausschließlich die Tregs mit einem Rezeptor ausstattet. Dieser macht sie anfällig für ein Zellgift. Injizieren die Wissenschaftler diese Substanz in die Mäuse, bindet das Molekül den Rezeptor und die Zelle stirbt ab. So können die Forscher gezielt die Tregs ausschalten und damit die körpereigene Abwehr des Tumors verstärken. 

Anschließend haben die Wissenschaftler geprüft, ob mit dieser Methode das Wachstum von Krebszellen in Mäusen gestoppt werden kann. „Auch bei bereits etablierten Tumoren konnten wir mit dem Ausschalten der Tregs das Immunsystem sozusagen wieder scharf schalten“, sagt Katjana Klages, die die Versuche in der HZI-Arbeitsgruppe von Jochen Hühn zusammen mit Christian Mayer vom TWINCORE ausgeführt hat. Die Tumore seien deutlich zurückgegangen. „Eine zusätzliche Impfung der Mäuse mit Bestandteilen der Krebszellen steigerte den Rückgang und die Reaktion des Immunsystems sogar noch.“ 

Derzeit ist eine direkte Anwendung der Ergebnisse in der Krebstherapie beim Menschen jedoch noch nicht möglich. „Von gentechnisch veränderten Mäusen zum menschlichen Patienten ist es ein weiter Weg“, so Hühn. Die Ergebnisse mit den Labormäusen haben jedoch gezeigt, dass die Entwicklung von Substanzen, welche gezielt die „Blauhelmsoldaten“ ausschalten, eine erfolgreiche Strategie beim Kampf gegen Krebs sein könnte. 

Originalartikel:

Selective Depletion of Foxp3+ Regulatory T Cells Improves Effective Therapeutic Vaccination against Established Melanoma. Katjana Klages, Christian T. Mayer, Katharina Lahl, Christoph Loddenkemper, Michele W.L. Teng, Shin Foong Ngiow, Mark J. Smyth, Alf Hamann, Jochen Huehn, and Tim Sparwasser. Cancer Res; Published OnlineFirst October 5, 2010; doi:10.1158/0008-5472.CAN-10-1736

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:

Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. 

TWINCORE - Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung 

Das TWINCORE ist ein Translationszentrum – gemeinsam gegründet vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Forschungsschwerpunkt ist die Suche nach neuen Strategien für die Diagnose, Vorbeugung und Therapie von Infektionserkrankungen. Der Weg dorthin ist die Translation – eine enge Verzahnung von Grundlagen- und klinischer Forschung. In sogenannten Twinning-Projekten arbeiten Forschergruppen von HZI und TWINCORE eng zusammen.