Ob ein Patient als schizophren gilt oder nicht, wird bisher nur anhand von Symptomen bewertet. Dieser Ansatz ist aus medizinischer und biologischer Sicht allerdings wenig hilfreich, denn die Erkrankungen sind viel zu komplex, um sie nur nach den Symptomen zu beurteilen. Warum daher ein Umdenken erforderlich ist, erklärt die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Hannelore Ehrenreich in einem öffentlichen Vortrag. Diesen wird sie am Dienstag, 24. September 2013, um 19:30 Uhr im Haus der Wissenschaft in Braunschweig halten.
Mentale Krankheiten, wie beispielsweise Schizophrenie, werden bis heute ausschließlich klinisch diagnostiziert. Um als schizophren zu gelten, müssen Menschen also bestimmte Symptome über mindestens sechs Monate aufweisen. „Trotz hoher Erblichkeit ist die genetische Basis des Krankheitsbildes weitgehend unklar. Genau dort liegt der Ansatz unserer Forschungen“, sagt Hannelore Ehrenreich, Professorin für Klinische Neurowissenschaften am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin und DFG-Forschungszentrum für Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) in Göttingen.
Gemeinsam mit ihren Kollegen untersucht Ehrenreich den genetischen Hintergrund der Schizophrenie. Während die Symptome, die ein schizophrener Mensch zeigt, klar definiert sind, gibt es keinen bestimmten Satz an Genen, der vorhanden sein muss, damit ein Mensch an Schizophrenie erkrankt. Viel mehr geht man inzwischen davon aus, dass das Zusammenspiel tausender genetischer Faktoren mit vielen verschiedenen Umwelteinflüssen darüber entscheidet. „Schizophrenie ist sozusagen eher ein Überbegriff für eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Krankheiten, die ähnliche Symptome verursachen“, so Ehrenreich.
Nur ein Paradigmenwechsel, also der Schritt weg von der klinischen Diagnose als alleinige Basis der Klassifizierung einer Krankheit, kann aus Ehrenreichs Sicht den Weg frei machen für neue, gezieltere therapeutische Verfahren. Denn um eine Krankheit optimal zu bekämpfen, muss man ihre Ursachen möglichst genau kennen.
Ehrenreich studierte Medizin und Tiermedizin in Hannover und München. Parallel zu ihrer klinischen Ausbildung in Neurologie und Psychiatrie in München und Göttingen absolvierte sie verschiedene wissenschaftliche Auslandsaufenthalte in den USA, England und den Philippinen. Seit 1995 ist sie Professorin für Neurologie und Psychiatrie, mit Lehraufgaben in der Medizinischen und der Biologischen und Psychologischen Fakultät der Universität Göttingen. Darüber hinaus leitet sie seit fast 20 Jahren die Abteilung „Klinische Neurowissenschaften“ am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin in Göttingen.
Der Vortrag mit dem Titel „Genetik mentaler Erkrankungen- Anstoß zum Umdenken“ findet im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Genetik (Gfg) im Haus der Wissenschaft in Braunschweig statt und richtet sich an alle interessierten Bürger. Die Tagung wird in diesem Jahr von Prof. Klaus Schughart vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig(HZI) und Prof. Reinhard Köster von der Technischen Universität (TU) Braunschweig geleitet.