Im Falle einer Infektion schüttet das Immunsystem verschiedene Botenstoffe aus. Diese Moleküle aktivieren Immunzellen, um eindringende Krankheitserreger zu bekämpfen, oder hemmen sie, um eine überschießende Entzündungsreaktion zu vermeiden. Dabei muss das Immunsystem sehr schnell entscheiden, welche Mischung von aktivierenden und hemmenden Botenstoffen zu einer erfolgreichen Verteidigung führt. Forscher des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben jetzt gezeigt, dass bisher unterschätzte Immunzellen, sogenannte Mastzellen, bereits in den ersten Stunden nach einer Infektion festlegen, wie die Abwehr aussieht. Die Zellen bilden den zentralen Botenstoff Beta-Interferon nur bei viralen, nicht aber bei bakteriellen Infektionen. Der Grund hierfür: Während das Molekül einerseits hilft, Viren zu bekämpfen, hemmt es andererseits wichtige Abwehrzellen, die Bakterien abtöten und würde daher der Verteidigung schaden. Ihre Ergebnisse haben die Forscher jetzt in dem Wissenschaftsmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ veröffentlicht.
Mastzellen spielen eine zentrale Rolle bei allergischen Reaktionen – eine Funktion, auf die sich die Forschung bisher konzentrierte. Sie sitzen direkt unter der Haut und den Schleimhäuten und reagieren sofort, wenn ein Allergen in den Körper eindringt. Die Folge sind gerötete Schleimhäute, Schwellungen, tränende Augen und eine laufende Nase. Mastzellen scheinen aber auch eine entscheidende und bisher nur wenig verstandene Funktion bei der Abwehr von Krankheitserregern zu haben. „Sie warten genau da, wo Keime eindringen“, sagt Nelson O. Gekara, Forscher in der Arbeitsgruppe „Molekulare Immunologie“ am HZI, „und gehören damit zur allerersten Abwehr- und Verteidigungslinie des Immunsystems.“
Um zu untersuchen, wie Mastzellen bei Kontakt mit Bakterien oder Viren reagieren, brachten die HZI-Forscher Zellen und Krankheitserreger in einer Kulturschale zusammen. Anschließend ermittelten die Wissenschaftler, welche Botenstoffe die Mastzellen produzierten. Während die Zellen Beta-Interferon bilden, sobald eine Infektion mit einem Virus vorliegt, konnten die Forscher den Botenstoff bei einer Bakterieninfektion nicht nachweisen. „Dass die Mastzellen hier gewissermaßen unterscheiden können war bisher unbekannt“, sagt Nicole Dietrich, die die Mastzellen untersucht hat. „Bei einer Virusinfektion hilft es, weil es in den umliegenden Zellen Mechanismen aktiviert, die die Virusabwehr unterstützen.“
Den Grund dafür, dass die Zellen bei einer Infektion mit Bakterien den Botenstoff nicht produzieren, fanden die Forscher in der den Mastzellen nächsten Verteidigungslinie: Beta-Interferon hemmt im Körper genau jene Zellen, die eingedrungene Bakterien schnell abtöten. „Die Mastzellen bilden kein Beta-Interferon, weil dies andere Zellen bei der Bekämpfung von Bakterien behindern würde“, sagt Nicole Dietrich. Die Mastzellen bestimmen somit schon sehr früh, in welche Richtung die Immunabwehr führt.
Bei ihrer Entscheidung helfen den Mastzellen Rezeptoren auf ihrer Oberfläche: Sogenannte Toll-ähnliche Rezeptoren (TLR, toll-like receptors) aktivieren Immunzellen, wenn ein Krankheitserreger in den Körper eingedrungen ist. Werden die Rezeptoren aktiviert, bilden Mastzellen eine Reihe von Botenstoffen, die andere Zellen anlocken, fernhalten, aktivieren oder hemmen und somit eine optimale Immunantwort regulieren.
„Um eine Beta-Interferon-Antwort zu starten, müssen Immunzellen diese Rezeptoren ins Zellinnere transportieren. Mastzellen machen aber genau dies bei einer Bakterieninfektion nicht und produzieren deshalb kein Beta-Interferon“, sagt Nelson O. Gekara. Dies sei ein weiterer Schritt, das komplexe Netzwerk von Botenstoffen, Immunzellen und Krankheitsabwehr zu verstehen. „Es scheint, als entscheidet jede Linie der Immunabwehr dabei sehr gezielt, welcher Schritt der nächste und der richtige ist.“
Originalartikel: Dietrich Nicole; Rohde Manfred; Geffers Robert; Kröger Andrea; Hauser Hansjörg; Weiss Siegfried; Gekara Nelson O. Mast cells elicit proinflammatory but not type I interferon responses upon activation of TLRs by bacteria. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2010;107(19):8748-53.