„Stickstoffoxid hat zwei sehr unterschiedliche Wirkungen während einer Infektion: Einerseits kann es Krankheitserreger, die von Fresszellen aufgenommen wurden, direkt zerstören. Andererseits verhindert es ab einer gewissen Konzentration die Rekrutierung weiterer Fresszellen zum Ort der Infektion und verhindert so eine unnötige Gewebeschädigung, die durch eine überschießende Immunantwort verursacht würde“, sagt Andreas Müller, Letztautor der Studie. Die Forschungsgruppe hat am Beispiel von Leishmania major, dem Erreger einer bislang schwierig zu behandelnden Tropenkrankheit, die beiden Wirkungsweisen von Stickstoffoxid über den gesamten Verlauf einer Immunantwort vermessen und modelliert.
Die Wissenschaftler:innen konnten dabei zeigen, dass das direkte Zerstören des Krankheitserregers durch Stickstoffoxid nur während eines relativ kurzen Zeitraums der wichtigste Verteidigungsmechanismus des Immunsystems gegen Leishmania major ist. „Viel effektiver ist Stickstoffoxid stattdessen darin, die Fresszellen, in denen sich Leishmania major vermehren kann, davon abzuhalten, an die Infektionsstelle zu gelangen. Da es die Rekrutierung dieser Fresszellen hemmt, entzieht es dem Erreger die Grundlage zur Vermehrung“, sagt Müller.
Für ihre Experimente haben die Wissenschaftler:innen ein eigenes Messsystem entwickelt, um auch die Wachstumsgeschwindigkeit und Lebensfähigkeit der Erreger während der Infektion bestimmen zu können. „Mit der sogenannten intravitalen 2-Photonenmikroskopie konnten wir die Erreger während einer Infektion im lebenden Gewebe beobachten und ihre Vermehrung bzw. Zerstörung durch das Immunsystem vermessen. Die so gewonnenen Daten wurden genutzt, um die Voraussagen mathematischer Modelle, die wir zur Arbeitsweise des Immunsystems aufgestellt hatten, zu überprüfen - und diese Prognosen stimmten exakt mit unseren Daten überein.“ Mit diesem besseren Verständnis über das Zusammenspiel der verschiedenen Mechanismen der Immunabwehr sei es nun möglich, gezielt in die Regulation des Immunsystems einzugreifen und damit neue Behandlungsansätze im Kampf gegen Infektionskrankheiten zu entwickeln.
Die Forschungsarbeit profitierte maßgeblich von den im Sonderforschungsbereich 854 aufgebauten Forschungsstrukturen und Technologien des Magdeburger Immunologie-Standortes. Zudem ist sie das Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und mit Dr. Philippe Bousso und Prof. Gerald Späth vom Institut Pasteur in Paris.
Seit 2013 leitet der Biologe Andreas Müller die Arbeitsgruppe Intravitalmikroskopie von Infektion und Immunität am Institut für Molekulare und Klinische Immunologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und am HZI in Braunschweig. In seinen Untersuchungen erforscht er, wie sich das Wachstum von Krankheitskeimen und das Immunsystem gegenseitig beeinflussen. Für seine Forschung wurde er bereits 2016 mit einem der begehrten ERC Starting Grants des Europäischen Forschungsrates ausgezeichnet.
Originalpublikation:
Pauline Formaglio*, Mohamad Alabdullah*, Anastasios Siokis, Juliane Handschuh, Ina Sauerland, Yan Fu, Anna Krone, Patricia Gintschel, Juliane Stettin, Sandrina Heyde, Juliane Mohr, Lars Philipsen, Anja Schröder, Philippe A. Robert, Gang Zhao, Sahamoddin Khailaie, Anne Dudeck, Jessica Bertrand, Gerald F. Späth, Sascha Kahlfuß, Philippe Bousso, Burkhart Schraven, Jochen Huehn, Sebastian Binder, Michael Meyer-Hermann, Andreas J. Müller. Nitric oxide controls proliferation of Leishmania major by inhibiting the recruitment of permissive host cells. Immunity, 2021. DOI: 10.1016/j.immuni.2021.09.021.
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Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Andreas J. Müller, Leiter der Arbeitsgruppe Intravitalmikroskopie von Infektion und Immunität, Institut für Molekulare und Klinische Immunologie
Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität
andreas.mueller(at)med.ovgu.de