Stefan Schmelz druckt sich die Welt, wie sie ihm gefällt: Der Strukturbiologe sieht keine Probleme, nur Herausforderungen.
Bei einer winterlichen Außentemperatur von minus zehn Grad wirkt Stefan Schmelz in seinem kurzärmeligen Hemd, als ob er eine alternative Energiequelle für sich entdeckt hätte. Der Postdoc aus der Abteilung „Struktur und Funktion der Proteine“ am HZI könnte auch eine brauchen, um die Aufgaben zu meistern, die seinen Alltag ausmachen. Eine Herausforderung – und kein Problem – nennt er es, beruflich wie privat voll ausgelastet zu sein. Als Vater von drei kleinen Kindern weiß er genau, dass Organisation wichtig ist und er die Dinge zielgerichtet angehen muss. „Zeitmanagement ist alles“, sagt er. Auch die Vielfalt der ihm übertragenen Aufgaben in der Abteilung ist beeindruckend: Er ist für die gesamte Computer-Infrastruktur verantwortlich, dazu noch für die Großgeräte, den Röntgenraum, die Imager und die Geräte der Kristallografie. Tagespläne umzustoßen, gehört dabei zum Alltag – und damit ist er glücklich: Ihm gefällt es am HZI, die Routine eines Fließbandjobs wünscht er sich nicht.
Schmelz hält zusätzlich Vorlesungen für angehende Biologen, Biotechnologen und Biochemiker an der Technischen Universität Braunschweig. Für ihn ist es wichtig und erfüllend, jungen Leuten Wissen zu vermitteln. So empfindet er die Arbeit mit Bachelor- und Masterstudenten, Praktikanten und Auszubildenden als eine Investition in die Zukunft.
Dabei kam Schmelz eher zufällig zur Strukturbiologie. Schon zu Beginn seines Studiums der physikalischen Biochemie in Darmstadt hatte er den starken Wunsch nach einem Auslandsaufenthalt, den er sich als Doktorand bei James Naismith an der University of St Andrews in Schottland erfüllte. Dessen Gruppe beschäftigte sich mit Strukturbiologie, und diesen Kurs behielt Schmelz bei. Der Gastvortrag eines deutschen Wissenschaftlers namens Dirk Heinz brachte den ersten Kontakt zum HZI, dem nach einer Initiativbewerbung 2010 die Einstellung folgte – zunächst drei Jahre lang bei Dirk Heinz, dann bei Andrea Scrima und heute bei Wulf Blankenfeldt. „Diese Richtung einzuschlagen, habe ich nie bereut“, sagt Schmelz.
Seit 2010 konnte Stefan Schmelz 15 Proteinstrukturen veröffentlichen – und er hat immer noch ein paar in der Schublade. Zudem ist er gut vernetzt: Zusammen mit Rolf Hartmann vom HIPS untersucht er Proteine, die an der Biofilmbildung von Pseudomonas aeruginosa beteiligt sind, während er mit Melanie Brinkmann vom HZI die Struktur eines Tegumentproteins von Herpesviren löste, um dessen Einfluss auf die Immunabwehr zu betrachten. Eine bei der Legionärskrankheit Lungengewebe zerstörende Protease ist Forschungsgegenstand einer Kooperation mit der TU Braunschweig, während er sich mit Andriy Luzhetskyy vom HIPS der Biosensorentwicklung für das effektive Screening neuer Antibiotika widmet.
Zukunftsorientiert ist auch seine private Leidenschaft: 3D-Drucker und deren fast unendliche Möglichkeiten. Den zweiten seiner beiden Drucker hat Schmelz selbst geplant, mit gedruckten Komponenten realisiert und optimiert. Spezialfunktionen wie eine helle Beleuchtung oder die Steuerung aus der Ferne hat er bei seinem ersten 3D-Drucker vermisst und nach und nach integriert. Das Rohmaterial für die Drucke kommt als dünnes Kabel von der Rolle und wird im Druckvorgang eingeschmolzen, um die gewünschte Form Schicht für Schicht aufzubauen. Er druckt mit ganz unterschiedlichen Materialien, vom biologisch abbaubaren Kunststoff bis zum kupferhaltigen Filament, das poliert wie glänzendes Metall aussieht. Das Ergebnis sind neben funktionellen auch dekorative Dinge wie ein von innen beleuchtbares Modell des Mondes, die Nachbildung einer Figur von den Osterinseln – oder ein InFact-Schild.
Seine private Technik setzt Schmelz auch für das HZI ein: Kompliziert aufgebaute Proteine mit passenden Bindungspartnern lassen sich als Computermodell zwar gut darstellen, „sie als dreidimensionale Einzelteile in der Hand zu halten und einfach zusammenzusetzen, öffnet aber ganz andere Möglichkeiten“, sagt er. Daher druckt er die Simulationen mithilfe einer speziellen Software aus und erhält so dreidimensionale Formen. Seine Geräte eignen sich auch für pragmatische Soforthilfe: Einem Fraktionssammler mit zu großen Öffnungen für die Probengefäße hat er kurzerhand einen neuen Aufsatz mit kleineren Löchern verpasst, durch den er den Kellerfund nun wieder im Alltag nutzen kann.
Der 3D-Druck ist beeindruckend vielfältig, vor allem, wenn ein einfallsreicher Kopf dahintersteckt wie der von Stefan Schmelz. Die Bedeutung in der Arbeitswelt ist nicht zu unterschätzen. „Man kann per 3D-Druck Ersatzteile und Arbeitsmaterial relativ kostengünstig nachbilden, was vor allem für Entwicklungsländer mit schwieriger Versorgungslage in Zukunft interessant werden könnte“, sagt Schmelz. Da in der Forschung immer mehr durch Technik substituiert und vieles automatisiert werde, komme niemand mehr um eine Beschäftigung damit herum. Es sei zwar leichter, alles neu zu kaufen – zum Reparieren fehle im hektischen Forscheralltag meist die Zeit, sagt Schmelz. Aber oft könne man mit einer kleinen Reparatur selbst dafür sorgen, Kosten zu sparen – „man muss einfach mal kreativ sein.“