Wie beeinflussen sich Bakterien, Darmoberfläche und Immunsystem gegenseitig? Dieser Frage will Dr. Till Strowig vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig nachgehen. In einem gemeinsamen Projekt mit Partnern vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf untersucht er das komplexe Wechselspiel anhand des körpereigenen Moleküls Interleukin 22. Der Europäische Forschungsrat ERC fördert das Projekt in den kommenden fünf Jahren mit einem „ERC Starting Grant“ in Höhe von insgesamt 1,5 Millionen Euro. Die Ergebnisse sollen neue Erkenntnisse über die Entstehung von Darmkrebs und chronischen Darmkrankheiten liefern.
Der menschliche Darm bietet einer Vielzahl verschiedener Bakterien einen idealen Lebensraum. Menge und Zusammensetzung der Bakterienarten sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich und werden von Faktoren wie der Ernährung und der Aktivität des Immunsystems, aber auch von der Einnahme bestimmter Medikamente wie etwa Antibiotika beeinflusst. Dieses individuelle „Mikrobiom“ im Darm eines Menschen reguliert die Funktion der Darmschleimhäute und beeinflusst deren Immunantwort.
Der Botenstoff Interleukin 22 und sein körpereigener Gegenspieler, das Interleukin 22-bindende Protein, sind bei Immunreaktionen von entscheidender Bedeutung. Auch bei der Geweberegenerierung, zum Beispiel im Rahmen der Wundheilung, spielen beide Faktoren eine wichtige Rolle. Aus Versuchen mit Mäusen ist bereits bekannt, dass Tiere, die entweder Interleukin 22 oder seinen Gegenspieler nicht produzieren können, ein erhöhtes Darmkrebsrisiko aufweisen.
„Wir wollen herausfinden, wie diese beiden Faktoren reguliert werden“, sagt Till Strowig. „Insbesondere interessiert uns, welche Bakterien in der Darmflora und welche Zellen im Immunsystem und im Darmepithel dabei eine Rolle spielen.“ Der HZI-Wissenschaftler wird vor allem die Wechselwirkungen zwischen Darmbakterien und Epithel erforschen, während sein Kollege Prof. Samuel Huber vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sich auf das Zusammenspiel von Immunzellen und Epithel konzentrieren wird. Ein besseres Verständnis der verschiedenen Zellarten, die für die Steuerung von Geweberegenerierung und Immunantworten verantwortlich sind, könnte neue Therapiemöglichkeiten gegen chronische Darmerkrankungen und Dickdarmkrebs eröffnen.
Till Strowig absolvierte den Studiengang „Medizinische Biotechnologie“ an der Technischen Universität Berlin. Für seine Diplomarbeit ging er an die Rockefeller University in New York, wo er später, unterstützt durch ein Stipendium der Boehringer Ingelheim Stiftung, auch promovierte. Im Anschluss führte Strowig seine Forschung an der Yale University fort. Er leitet seit Juni 2013 die Nachwuchsforschergruppe „Mikrobielle Immunregulation“ am HZI.
Der „ERC Starting Grant“ wird jedes Jahr vom Europäischen Forschungsrat an herausragende Nachwuchstalente aus allen Bereichen der Wissenschaft verliehen (http://erc.europa.eu/starting-grants). Hauptkriterium für eine ERC-Förderung ist die wissenschaftliche Exzellenz der Forschungsanträge.
Die Nachwuchsgruppe „Mikrobielle Immunregulation“ untersucht die Aufgaben und Funktionen des Mikrobioms sowie seinen Einfluss auf die Entwicklung von Infektionskrankheiten.