Hohe Staubbelastung oder Zigarettenrauch schaden unserer Lunge: In den empfindlichen Atemwegen werden Abwehrzellen des Immunsystems aktiviert, die fälschlicherweise das gesunde Lungengewebe angreifen. Diese sogenannte Autoimmunreaktion führt zu schweren chronischen Entzündungen. In der aktuellen Studie ist es Forschern am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig nun gelungen, die Rolle derjenigen Immunzellen genauer zu beschreiben, die an der Entstehung chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen (COPD) beteiligt sind. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscher jetzt in der aktuellen Ausgabe des The Journal of Immunology.
„Rauchen oder eine schädliche Staubbelastung sind erste Schritte, um ein entzündliches Umfeld in den Lungenbläschen zu schaffen“, sagt Dr. Dunja Bruder, Leiterin der Arbeitsgruppe Immunregulation am HZI. „Wird die Lunge ständig belastet, setzt sich dadurch ein für Autoimmunerkrankungen typischer Entzündungsprozess in Gang“, so die Wissenschaftlerin. „Abwehrzellen des Immunsystems werden aktiviert, vermehren sich und greifen dann irrtümlicherweise den eigenen Körper an.“ Das Rauchen gilt als einer der Auslöser der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Den für COPD-Patienten typischen Reizhusten nennt man deshalb landläufig auch gerne „Raucherhusten“. Doch COPD tritt auch bei Arbeitern auf, die hohen Qualm- oder Staubbelastungen ausgesetzt sind. In Ländern der Dritten Welt sind häufig besonders Frauen betroffen: Hier ist die kontinuierliche Belastung durch schwelende Herdfeuer in geschlossenen Räumen eine verbreitete Ursache.
In den letzten Jahren häufen sich wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass COPD als Autoimmunkrankheit verstanden werden kann.
Das Forscherteam um Dunja Bruder untersucht seit einigen Jahren, wie die Zellen der Lungenbläschen mit den Abwehrzellen des Immunsystems kommunizieren. In der aktuellen Studie ist es den Immunologen nun gelungen, die Rolle der Immunzellen, die COPD hervorrufen, genauer zu beschreiben. Es handelt sich hierbei um sogenannte Killerzellen, deren Hauptaufgabe eigentlich darin besteht, mit Viren infizierte Zellen zu vernichten. Auf diese Weise bekämpft das Immunsystem normalerweise sehr effektiv Infektionen. Im Fall der COPD führt die Dauerbelastung des Immunsystems in der Lunge jedoch zu einer Fehlreaktion: Die Killerzellen greifen die körpereigenen Lungenzellen an.
Um das Verhalten der Killerzellen genauer zu verstehen und in das fehlgeleitete Immunsystem eingreifen zu können, simulierten die Forscher Dr. Milena Tosiek und Dr. Marcus Gereke im Team um Dr. Dunja Bruder das Geschehen in Mäusen. „Die Mäuse tragen einen Baustein des Grippevirus auf der Oberfläche der Lungenbläschen. Zusätzlich besitzen sie Killerzellen, die genau diesen Baustein erkennen und die Lungenzellen angreifen. Die Tiere entwickeln dadurch eine chronische Lungenentzündung, die durch die Killerzellen ausgelöst wird“, berichtet der Forscher Dr. Marcus Gereke. Aus der entzündeten Lunge isolierten die Forscher die krankheitsverursachenden Zellen, um sie im Labor zu untersuchen.
Das Ergebnis überraschte die Forscher: viele Immunzellen im entzündeten Gewebe sind gar nicht an der Zerstörung der Lungenzellen beteiligt. Die meisten Killerzellen „ignorierten“ die Lungenzellen einfach. Nur wenige Zellen reagierten – dafür aber umso heftiger und mit fatalen Folgen.
„Dies zeigt, wie wichtig das gesunde Gleichgewicht der Immunzellen ist“, sagt Dr. Dunja Bruder. „Bereits wenige fälschlich aktivierte Killerzellen könnten zu großen Zerstörungen führen.“ Derzeit forschen die Braunschweiger Wissenschaftler intensiv an den Kontrollmechanismen, die eine vollständige Zerstörung der Lungenbläschen verhindern könnten. „Wir hoffen, dass uns diese Mechanismen einen Anhaltspunkt liefern könnten, wie sich COPD eindämmen ließe“, erklärt Bruder.
Veröffentlichung:
CD+4CD25+Foxp3+ Regulatory T Cells Are Dispenbsable for Controlling CD8+ T Cell-mediated Lung Inflammation. Tosiek MJ, Gruber AD, Bader SR, Mauel S, Hymann H-G, Prettin S, Tschernig T, Buer J, Gereke M, Bruder D. The Journal of Immunology, 2011, Jun 1. 186(11):6106-18.