In den Genen der Bakterien Antworten auf drängende medizinische und biologische Fragen suchen: Diesem Ziel wird sich das „Norddeutsche Zentrum für Mikrobielle Genomforschung“ (NZMG) widmen, das heute in Göttingen feierlich eröffnet wurde. Universitäten und Forschungszentren in Braunschweig, Göttingen, Greifswald und Hannover werden im Rahmen dieses Verbundes ihre Technologieplattformen gemeinsam nutzen und eng kooperieren. Das erste gemeinsame Projekt der Wissenschaftler: Die Untersuchung des Krankenhaus-Keims Clostridium difficile.
„Das neue Zentrum stärkt den Wissenschaftsstandort Norddeutschland“, so Prof. Johanna Wanka, Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, die das NZMG heute an der Universität Göttingen offiziell eröffnet hat. Schon heute seien norddeutsche Standorte in der mikrobiellen Genomforschung national und teilweise auch international führend, lautet das Fazit einer Strukturanalyse, die die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen 2010 vorlegte. Um das Potential der Forschungseinrichtungen besser auszuschöpfen, haben sich die beteiligten Partner heute zum NZMG zusammengeschlossen. Gründungsmitglieder sind die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, die Georg-August-Universität Göttingen, das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), die Technische Universität Braunschweig, das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH und die Medizinische Hochschule Hannover (MHH).
„Die Zusammenarbeit wird uns helfen, eine Pionierrolle auf diesem Gebiet einzunehmen“, sagt Prof. Dirk Heinz, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI. Prof. Katharina Riedel, stellvertretende Direktorin des Instituts für Mikrobiologie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, erklärt: „Die Bildung des NZMG ist sinnvoll, da nicht jeder Standort über die komplexen Technologien und Geräte sowie die für den Betrieb notwendige Expertise verfügt.“ Greifswald betreibt eines der am besten ausgestatteten Proteomzentren Europas. „Während das Genom Aufschluss über das mögliche Repertoire gibt, zeigt das Proteom, welche Proteine die Mikroorganismen tatsächlich unter bestimmten Bedingungen herstellen“, erläutert Riedel den Unterschied. Auch die Bioinformatik wird im NZMG eine wichtige Rolle spielen – Genom- und Proteomanalysen produzieren unglaubliche Datenmengen, die nur mit Hilfe der Bioinformatik bewältigt werden können.
Obwohl mit bloßem Auge nicht sichtbar, beeinflussen Mikroorganismen unser Leben stark: Sie bauen organische Stoffe ab, nehmen Kohlendioxid oder Stickstoff aus der Atmosphäre auf und wirken damit auf Stoffkreisläufe, das Klima und Umweltbedingungen ein. Einige schaden dem Menschen, indem sie Krankheiten hervorrufen, andere sind gut für uns, da sie uns vor anderen Krankheitserregern schützen. Ohne Mikroorganismen gäbe es Joghurt, Käse, Wein und Bier nicht. Und schließlich nutzen wir heutzutage die Kleinstorganismen, um Antibiotika, Enzyme und Hormone wie beispielsweise Insulin herzustellen. Mikroorganismen sind überall und ihre Erforschung birgt viele Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten wollen norddeutsche Forscher nun gemeinsam aufdecken und nutzbar machen.
Gene liefern den Bauplan für einen der wichtigsten Bestandteile des Körpers, die Proteine. Wenn Genomforscher diese Pläne entschlüsseln, erfahren sie mehr darüber, wozu ein Mikroorganismus fähig ist. An der Georg-August-Universität Göttingen betreibt Prof. Rolf Daniel ein international anerkanntes Genomlabor. „Dank moderner Technologie können wir im großen Maßstab das komplette mikrobielle Genom auf einmal untersuchen“, beschreibt Daniel die Vorteile heutiger Hochdurchsatzverfahren.
Das neugegründete NZMG erleichtert es den Wissenschaftlern, die vorhandenen Technologieplattformen gemeinsam zu nutzen und standortübergreifende Forschungsvorhaben auszuführen. Die Partner planen auch langfristig und werden ihre Nachwuchsförderung vernetzen, um den hohen Standard der norddeutschen mikrobiellen Genomforschung auch in Zukunft zu erhalten. In einem ersten Pilotprojekt erforschen Wissenschaftler an den vier Standorten, welche Gene und Proteine den Krankenhauskeim Clostridium difficile für den Menschen gefährlich machen. „Die gebündelten Kompetenzen werden unsere Grundlagenforschung und angewandte Forschung weiter voranbringen“, betont Heinz.