Nur eine einzige Impfstoffdosis, ein kleiner Pieks, und es besteht ein verlässlicher lebenslanger Immunschutz gegen gefährliche virale Krankheitserreger. Regelmäßige Auffrischimpfungen? Nicht nötig. „Genau solche Impfstoffe würde man sich grundsätzlich wünschen – insbesondere auch mit Blick auf zukünftige Pandemien“, sagt Prof. Luka Cicin-Sain, Leiter der Abteilung Virale Immunologie am HZI. „Unsere neuentwickelte Impfstofftechnologie könnte künftig eine besonders langanhaltende, vielleicht sogar lebenslange Schutzwirkung ermöglichen, perspektivisch auch gegen mehrere Krankheitserreger gleichzeitig.“
Im Jahr 2023 hat das HZI-Forschungsteam um Cicin-Sain die neue Impfstofftechnologie auf Basis des Maus-Zytomegalie-Virus (MCMV) im Rahmen des ebenfalls durch das BMBF geförderten Vorläuferprojekts in einer ersten Sondierungsphase auf eine mögliche Überführung in die Anwendung geprüft. CMV gehört zu den Herpes-Viren, die lebenslang im Körper verbleiben und das Immunsystem regelmäßig erneut aktivieren. Doch könnte MCMV als Träger-Virus eines Impfstoffs dem Menschen nicht auch gefährlich werden? „Nein, MCMV ist ein aus der Maus stammendes Virus, das sehr gut an die Maus angepasst ist. Im menschlichen Körper ist es nicht vermehrungsfähig und kann uns nicht krankmachen“, erklärt Dr. Henning Jacobsen, Wissenschaftler in der HZI-Abteilung Virale Immunologie und Projektleiter von VIVA-VEK-2. „Daher ist es hervorragend als sogenannter Vektor geeignet, um ausgewählte Antigene von Krankheitserregern, gegen die geimpft werden soll, in den Körper zu schleusen und für eine langanhaltende Aktivierung des Immunsystems zu sorgen.“
Im Projekt VIVA-VEK-2 möchten die Forschenden mit ihrer MCMV-Impfstoffvektor-Technologie einen Impfstoffkandidaten gegen das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) entwickeln und erproben. RSV ist ein weltweit verbreiteter Erreger, der zu schweren Atemwegsinfektionen führen kann. „Die seit 2023 zugelassenen proteinbasierten Impfstoffe gegen RSV sind zwar wirksam, doch zeigen erste Studien, dass die Schutzwirkung bereits nach drei Jahren auf unter 50 Prozent sinkt“, sagt Cicin-Sain. „Die Dauer der Schutzwirkung eines Impfstoffs ist aber ein bedeutendes Kriterium: Wird eine Impfung nicht vervollständigt oder rechtzeitig aufgefrischt, etwa weil die Menschen sich nicht erneut impfen lassen möchten oder es in ihrem Alltag schlicht vergessen, besteht das Risiko, dass kein ausreichender Schutz vorhanden ist. Und: Jede Auffrischimpfung sorgt für Kosten, die das Gesundheitssystem belasten.“ Eine einmalige Impfung mit dauerhafter Schutzwirkung wäre also in vielerlei Hinsicht ein echter Gamechanger.
Ihren neuen RSV-Impfstoffkandidaten konstruieren die Forschenden mithilfe genetischer Methoden: Sie fügen ein bestimmtes Gen des RS-Virus, das für das sogenannte RSV-Pre-F-Protein kodiert, in den MCMV-Vektor ein. Dabei ersetzen sie ein besonders aktives Gen aus dem MCMV. Davon versprechen sich die Forschenden zum einen eine Zunahme der Sicherheit des Impfstoffs und zum anderen eine Steigerung der Immunantwort. In Untersuchungen im Großtiermodell werden die Forschenden die ausgelöste Immunantwort charakterisieren und die Wirksamkeit und Verträglichkeit des RSV-Impfstoffkandidaten prüfen. Läuft das Projekt erfolgreich, könnte der RSV-Impfstoffkandidat in etwa drei Jahren erstmals am Menschen erprobt werden, schätzen die Forschenden.
Das Projekt VIVA-VEK-2 startet in die Machbarkeitsphase und wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms GO-Bio initial über zwei Jahre mit einem Fördervolumen von einer Million Euro gefördert. GO-Bio initial fördert lebenswissenschaftliche Forschungsansätze mit Innovationspotenzial und ebnet den Weg hin zu einem Transfer in die Wirtschaft. „Wir hoffen, dass wir mit VIVA-VEK-2 ähnlich vielversprechende Ergebnisse erzielen werden wie in unseren Voruntersuchungen. Dann könnten wir für die Entwicklung eines RSV-Impfstoffs auf Basis der MCMV-Impfstoffvektor-Technologie tatsächlich eine Ausgründung in Betracht ziehen“, sagt Projektleiter Jacobsen. „Es ist großartig, dass wir mithilfe der Förderung die Möglichkeit haben, eine vielversprechende neue Impfstofftechnologie weiterentwickeln und künftig vielleicht sogar in die Anwendung bringen zu können.“
Bereits im Oktober 2024 konnten Forschende um Dr. Katarina Cirnski vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einem Standort des HZI in Kooperation mit der Universität des Saarlandes, erfolgreich eine Förderung des Programms GO-Bio initial einwerben. Die Förderung dient als Anschubfinanzierung für die Gründung eines Spin-off-Unternehmens, das die wachsende Herausforderung der Antibiotikaresistenz bei sexuell übertragbaren Krankheiten bekämpfen soll. Konkret plant das Team, sein geistiges Eigentum zu schützen, Markt- und Handlungsfreiheitsanalysen durchzuführen und die notwendigen Partner und Experimente zu identifizieren, um die Machbarkeit des Projekts zu bewerten. Die aus dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse werden die Richtung für das anschließende Programm zur Optimierung der Leitstruktur vorgeben, das sich auf die Wirksamkeit in vitro und in vivo, Sicherheit und kosteneffiziente Produktion konzentriert und zu klinischen Studien der Phase I führen soll.
Text: Nicole Silbermann