„Wir arbeiten daran, Impfstoffe wirksam genug für eine Verabreichung über die Haut oder die Schleimhäute zu machen“, sagt Carlos A. Guzmán, der am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) die Abteilung für Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie leitet.
„Die Sicherheit der Patienten steht an erster Stelle, und deshalb geht der Trend immer mehr zu Impfstoffen, die nur noch Bestandteile von Krankheitserregern enthalten.“ Das erhöhe zwar die Sicherheit, verringere aber die Effizienz, denn das Immunsystem stuft die Erregerbestandteile nicht mehr als gefährlich ein. Die Lösung des Problems: biologische Nanopartikel, die Antigene anliefern, und sogenannte Adjuvantien. Diese Hilfsstoffe – wie das aus Bakterien stammende zyklische dimerische Adenosinmonophosphat (c-di-AMP) – können den Impfstoff weiter verstärken, denn auch sie signalisieren dem Immunsystem Gefahr.
Am HZI steht vor allem die mukosale Impfung im Fokus. Sie zielt auf die Schleimhäute und kann als Nasenspray erfolgen. „Die Darreichungsform über die Nasenschleimhaut kann die Immunabwehr nicht nur in den Atemwegen, sondern im gesamten Körper aktivieren und ließe sich daher vielfältig einsetzen – zum Beispiel gegen respiratorische Krankheitserreger wie Influenzaviren (Grippe) und Pneumokokken (Lungenentzündung), gegen Durchfallerreger wie Salmonellen oder EHEC und sogar gegen HIV oder Humane Papillomviren, die Gebärmutterhalskrebs verursachen“, sagt Guzmán.
Biologische Nanopartikel fallen dem Immunsystem allein durch ihre Größe auf und erhöhen so die Sichtbarkeit der Erregerbestandteile. Gleichzeitig schützen sie den Impfstoff vor biochemischen Abwehrmaßnahmen des Körpers – wie Enzymen oder pH-Wert-Änderungen. Geeignete Nanopartikel bestehen zum Beispiel aus Milch- und Glycolsäure und werden bereits in der Medizin verwendet. Wissenschaftler am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einem Standort des HZI, stellen sie selbst her und arbeiten stetig an ihrer Optimierung. Das Ziel: eine Impfung über die Haut. Bei dieser nicht-invasiven Methode wird der Impfstoff einfach auf die unbehandelte Haut aufgetragen. „Die Nanopartikel dringen über die Haarfollikel in die Haut ein und lösen im Körper eine Immunreaktion aus“, sagt Hanzey Yasar vom HIPS. „Ein solcher Impfstoff wäre sehr einfach zu verabreichen und würde sicherlich von der Bevölkerung gut angenommen werden.“
Da nur wenig Impfstoff in die Haarfollikel gelangt, haben Yasar und ihre Forscherkollegen die Nanopartikel zusätzlich mit einem verstärkenden Adjuvans beladen. Ein Protein diente in ersten Experimenten als Antigen, also als fremde Struktur, gegen die das Immunsystem reagieren sollte. Mit diesem Ansatz ist es gelungen, nur durch das Auftragen auf die Haut eine Immunantwort gegen das Protein auszulösen. „Im nächsten Schritt wollen wir das Protein gegen Nukleinsäuren tauschen, die die Information für ein Antigen tragen. Sie hätten den Vorteil, dass sie sich flexibler auf ein bestimmtes Krankheitsbild anpassen lassen“, sagt Hanzey Yasar. Bevor die neuen Nanopartikel jedoch in die klinische Anwendung gehen können, sind Untersuchungen an unterschiedlichen Tiermodellen notwendig. Daher ist wohl erst in fünf bis zehn Jahren mit einem solchen Impfstoff zu rechnen.
Autoren: Thomas Ebensen und Kai Schulze
Veröffentlichung: Dezember 2017