Bevor neue Medikamente auf den Markt kommen, müssen sie umfangreiche Tests durchlaufen, in denen sie hinsichtlich ihrer Unbedenklichkeit, ihrer Qualität sowie ihrer Wirksamkeit überprüft werden. Teilweise sind dabei auch Tierversuche vorgeschrieben – „was nicht nur unter dem Aspekt des Tierschutzes unbefriedigend ist“, sagt der Professor für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie Claus-Michael Lehr und erläutert: „Die Ergebnisse von Tests mit Tieren sind niemals eins zu eins auf den Menschen übertragbar.“
„Hochentwickelte In-vitro-Modelle auf der Basis menschlicher Zellen und Gewebe sind auf lange Sicht für die Wirkung am Menschen prädiktiver als Tierversuche an lebenden Ratten oder Mäusen.“
CLAUS-MICHAEL LEHR
Lehr, der im Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) die Abteilung „Wirkstoff-Transport“ leitet, forscht mit seinem Team daran, Tierversuche durch Alternativmethoden zu ersetzen, mit denen sich besser und schneller vorhersagen lässt, was im Körper des Patienten geschieht. Daher bauen die Wissenschaftler beispielsweise Lungengewebe oder Darmwände aus menschlichen Zellen nach. An ihnen lässt sich in kontrollierten Test überprüfen, ob neue Medikamente in der Lage sind, biologische Barrieren des menschlichen Körpers wie die Lunge, den Verdauungstrakt oder die Haut zu überwinden, um an den Ort zu gelangen, an dem sie wirken sollen. Im Vergleich zum Tierversuch haben diese so genannten zell- und gewebebasierten In-vitro-Modelle gleich mehrere Vorteile: „Sie reduzieren die Komplexität, so dass man während des Versuchs im Einzelnen nachverfolgen kann, was an der biologischen Barriere passiert. Und da wir in einem humanen System arbeiten, können wir die gleichen Botenstoffe wie im menschlichen Körper messen“, erläutert Claus-Michael Lehr. Zudem sei es möglich, auch mit erkranktem Darm- oder Lungengewebe zu arbeiten, um so die Wirksamkeit von Antiinfektiva zu testen.
Bei der zwölften Ausgabe der Konferenz „BioBarriers“ vom 27. bis 29. August in Saarbrücken werden sich über 200 Wissenschaftler aus aller Welt bei Vorträgen und Workshops über die neuesten Forschungserkenntnisse auf dem Gebiet der biologischen Barrieren austauschen. Als Sprecher konnten 27 internationale Experten gewonnen werden, zudem gibt es mehr als 40 Beiträge von etablierten Forschern und von Nachwuchswissenschaftlern aus 25 Ländern. Während am ersten Konferenztag insbesondere In-vitro-Modelle in der Infektionsforschung sowie nicht-zelluläre Körperbarrieren wie Schleim oder bakterielle Biofilme vorgestellt werden, geht es an den folgenden Tagen vor allem um die Verbesserung des Wirkstofftransports, beispielsweise durch Nanocarrier und andere Technologien, die den Transport durch die Barrieren erleichtern oder erst ermöglichen.
Die internationale Tagung „Biological Barriers“, die von Prof. Claus-Michael Lehr ins Leben gerufen wurde, bringt alle zwei Jahre etwa 200 Fachleute aus der ganzen Welt auf den Saarbrücker Campus. 2018 findet sie zum zwölften Mal statt.
Das Programm ist abrufbar unter:
biobarriers.hips-wordpress.helmholtz-hzi.de