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Molekülanhänge entscheiden über den Tod von Krebszellen

Forscher zeigen, was den Wirkstoff ausmacht

 

Ein weiterer, molekularer Hoffnungsträger der Krebsarzneimittelforschung ist gefunden und hinsichtlich seines Wirkungsprofils nach jahrelanger Laborarbeit besser verstanden worden: Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben die biologische Aktivität des Moleküls Tubulysin aufgeklärt. Das Molekül ist einer der stärksten Hemmer der Zellteilung, den man kennt. Gerade diese ist bei Krebs krankhaft erhöht und gefährlich. Mit den neuen Erkenntnissen ist die pharmazeutische Weiterentwicklung dieser wichtigen Substanz einen großen Schritt weiter vorangekommen.


Problem bei solchen eigentlich hochgiftigen, sogenannten zytotoxischen Stoffen wie dem Tubulysin ist, dass eine pharmazeutische Anwendung zunächst unmöglich scheint. Die Substanz hemmt das Wachstum aller Zellen des menschlichen Körpers und nicht ausschließlich den entarteten Krebs. „Im klinischen Bild äußert sich diese Problematik in schweren Nebenwirkungen“, erklärt der Biologe Dr. Florenz Sasse vom HZI. So kommt es etwa zu Haarausfall, weil die Substanz auch die Vermehrung jener Hautzellen angreift, die für das Haarwachstum verantwortlich sind. Oder es treten Veränderungen im Blutbild auf, bei der den Patienten dann Abwehrzellen fehlen – sie werden für Folgeinfektionen empfänglicher. Probleme wie diese lassen sich einzig dadurch vermeiden, dass die Forscher probieren, den Wirkstoff auf molekularer Ebene so zu verändern, dass er gezielt Tumorzellen angreift. Im Falle des Tubulysins haben Chemiker in den USA in Zusammenarbeit mit Florenz Sasse hier einen entscheidenden Beitrag geleistet: Gemeinsam konnten sie nun zeigen, an welchen Ecken und Enden des Moleküls „geschraubt“ werden kann.

„Tubulysin“, erläutert Sasse „ist in jeder Hinsicht ein schwieriges Molekül. Es wird von Bodenbakterien als Stoffwechselnebenprodukt gebildet. Wir haben die Tubulysine im Jahr 1994 entdeckt. Aber weil es ein Nebenprodukt ist, ist es schwierig, größere Mengen davon zu produzieren. Außerdem wurde das Molekül während seiner langen Evolution von den Bakterien funktionell optimiert: Das heißt für uns, dass einzelne Molekülbausteine nicht so einfach variiert werden können. Verändern wir die Struktur, so verlieren wir die Wirksamkeit.“ Aber nachdem eine amerikanische Gruppe es 2006 geschafft hatte, Tubulysin vollsynthetisch im Reagenzglas nachzubauen, konnten die Forscher jetzt näher bestimmen, welche Teile des Moleküls für die biologische Aktivität wichtig sind. Man kann nun Bereiche im Molekül verändern, die für die Wirkung nicht entscheidend sind, aber dennoch seine Eigenschaften für die Krebstherapie verbessern. Auch kann es jetzt an andere Stoffe angehängt werden, die es direkt zum Tumor transportieren. „Damit können wir die Toxizität des Tubulysins regulieren“, sagt Sasse.

„Aber bis zu einer gezielten Krebstherapie ohne Nebenwirkungen ist es noch ein langer Entwicklungsweg“, so der Biologe. Wissenschaftlich betrachtet, hat das HZI aber nach Epothilon ein weiteres Krebspräparat in der Pipeline.

Originalartikel:
Andrew W- Patterson, Hillary M. Peltier, Florenz Sasse und Jonathan A. Ellman (2007): Designs, Synthesis and Biological Properties of Highly Potent Tubulysin D Analogues. Chem. Eur. J. 2007, 13, 9543-9541

Bilder: Zu sehen sind Krebszellen ohne (download 1) und mit  (download 2) Tubulysin-Behandlung. Blau: Zellkern, grün: Zellskelett. Fotograf: Florenz Sasse