Seit Mitte Mai 2022 melden mehrere Länder, in denen Mpox/Affenpocken nicht endemisch sind, eine Häufung von Infektionen mit dem Affenpockenvirus. Auch in Deutschland wurden Fälle diagnostiziert, bis Mai 2023 waren es etwa 3700 Infektionen. Forschende des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) tragen mit ihrer Expertise dazu bei, die aktuelle Situation einzuschätzen und die Öffentlichkeit aufzuklären.
Das Affenpockenvirus (monkeypox virus, MPXV) ist mit dem ausgerotteten Pockenvirus verwandt. Trotz des Namens sind Affen nicht das natürliche Virusreservoir. Stattdessen sind Nagetiere vermutlich das Reservoir, bei dem sich auch Affen anstecken können. Über welche Tiere das Virus bei den aktuellen Fällen auf Menschen übergesprungen ist, ist derzeit unbekannt. Am 23. Juli 2022 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO den Ausbruch zu einer gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite (PHEIC). Der Notstand wurde im Mai 2023 wieder aufgehoben.
Prof. Fabian Leendertz, Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts für One Health in Greifswald (HIOH) und Leiter der Abteilung „Ökologie und Entstehung von Zoonosen“, erforscht die Schnittstelle zwischen Tiergesundheit, Umwelt und menschlicher Gesundheit. Das HIOH ist ein Standort des HZI, der gemeinsam mit der Universität Greifswald, der Universitätsmedizin Greifswald und dem Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) als lokale Gründungspartner aufgebaut wird. Er schätzt die aktuelle Situation folgendermaßen ein:
Mpox/Affenpocken seien ein weiteres Gesundheitsproblem, welches die Gesundheitssysteme zusätzlich belasten, viel Geld für Forschung und Gegenmaßnahmen kosten und noch lange unter uns Menschen bleiben werde, sagt der Zoonosen-Experte. In der Vergangenheit hat er bereits Studien zum Auftreten des Affenpockenvirus in Schimpansen (Publikation in Nature Microbiology) und pavianartigen Rußmangaben (Publikation in Emerging Infectious Diseases) in Cote d’Ivoire veröffentlicht.
In einem weiteren Interview mit der Tagesschau äußert Leendertz sich zur Übertragung des Virus und Symptomen: „Das Virus verursacht eindeutige Symptome und mit der klassischen Kontaktnachverfolgung können Infektketten nachvollzogen werden, um den Ausbruch einzudämmen.“
Die Verwandtschaft des Affenpockenvirus mit dem Pockenvirus hat auch Konsequenzen für den Impfstoff. Es gibt eine Kreuzreaktivität zwischen den Viren – der Pockenimpfstoff schützt auch gut einer Affenpockeninfektion, wenn auch nicht zu 100%.
Das sagt Prof. Luka Cicin-Sain, Leiter der Abteilung „Virale Immunologie“ am HZI, über die Personen, die im Kindesalter gegen Pocken geimpft wurden. In der BRD wurde die Pockenimpfpflicht 1976 aufgehoben, in der DDR erst 1982. Die meisten jungen Menschen sind jedoch nicht mehr gegen Pocken geimpft und haben daher keinen Schutz. Das Windpockenvirus gehört trotz des Namens nicht zur Familie der Pockenviren, sondern zu den Herpesviren. Eine Windpockeninfektion oder –impfung bietet daher auch keinen Schutz vor Mpox/Affenpocken.
Untersuchung des Mpox-/Affenpockenausbruchs in Nigeria 2017 - 2019
Im Jahr 2017 wurde in mehreren Regionen von Nigeria ein Mpox/Affenpockenausbruch beobachtet. Die Abteilung Epidemiologie am HZI unter der Leitung von Prof. Gérard Krause hat daraufhin das digitale Tool zur Seuchenbekämpfung SORMAS (Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System) innerhalb kürzester Zeit weiterentwickelt und ein Mpox/Affenpocken-Modul bereitgestellt. SORMAS hilft bei der Erfassung von Daten zu Übertragungswegen und der geographischen Verteilung von Infektionsfällen.
Ein Forschungsteam um Prof. Gérard Krause war an der Untersuchung eines Mpox/Affenpocken-Ausbruchs in Nigeria von 2017 bis 2019 beteiligt und hat hierbei auch das digitale System SORMAS eingesetzt, um den Ausbruch einzudämmen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler:innen in den Fachmagazinen The Lancet Infectious Diseasesund Emerging Infectious Diseases.
Im November 2022 empfahl die WHO den Namen mpox als Synonym für Affenpocken. Dieser Artikel wurde aktualisiert, um diese Entscheidung widerzuspiegeln. Aktualisierte Infektionszahlen wurden ergänzt.
Im aktuellen Bund-Länder-Beschluss empfehlen die Bundeskanzlerin und die Regierungschef*innen der Länder die flächendeckende Anwendung von SORMAS, dem Epidemie-Management-System des HZI, der vitagroup und anderen Partnern. Erklärtes Ziel: Bis Ende des Jahres sollen mindestens 90 Prozent der Gesundheitsämter SORMAS einsetzen.
Als sich im Herbst 2017 die Anzeichen für einen Ausbruch der Affenpocken in Nigeria verdichteten, passten Braunschweiger Epidemiologen ihr Online-Überwachungssystem an. Damit reisten sie nach Afrika, um die Einheimischen zu unterstützen.
Der Ebola-Ausbruch 2014 in Westafrika hat gezeigt, dass effiziente Seuchenüberwachungssysteme dringend erforderlich sind: Der Verlauf einer Epidemie hängt auch davon ab, wie schnell Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung umgesetzt werden. HZI-Wissenschaftler der Abteilung für Epidemiologie unter der Leitung von Gérard Krause haben gemeinsam mit nigerianischen Wissenschaftlern eine App entwickelt, die eine Echtzeit-Datenerfassung und Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung ermöglicht – das sogenannte Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System (SORMAS).
Mit einem neuen mobilen Informationssystem bekämpfen deutsche Wissenschaftler vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) sowie nigerianische Forscher erstmals einen Affenpocken-Ausbruch in Nigeria. Seit September 2017 hat sich die Epidemie von Affenpocken mit bislang 128 Patienten auf inzwischen 14 Bundesstaaten in Nigeria ausgebreitet. SORMAS – so der Name des Systems – steht für „Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System“. Es erfasst und analysiert die Datenlage beim Ausbruch gefährlicher Infektionskrankheiten, erkennt potenzielle Bedrohungen und ermöglicht es, notwendige Schutzmaßnahmen frühzeitig einzuleiten. Entsprechend der technischen Gegebenheiten westafrikanischer Länder basiert es auf weit verbreiteten Mobiltelefonen. So können sich Labore und Krankenhäuser in Echtzeit miteinander vernetzen und epidemiologische Daten austauschen.