Modell Antikörper
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Neue Chance für eine bessere Pandemiebekämpfung

Forscher:innen des HZI und der TU Braunschweig gelingt Entwicklung neutralisierender anti-SARS-CoV-2-Antikörper aus Immunzellen gesunder Spender

Ein internationales Forschungsteam der Technischen Universität Braunschweig und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) unter Leitung der Abteilung Biotechnologie der TU Braunschweig hat in der Fachzeitschrift Nature Communications über die Entwicklung besonderer Antikörper gegen SARS-CoV-2 berichtet. Diese Antikörper hindern die Viren daran, in Wirtszellen einzudringen, und wurden aus einer Antikörpergenbibliothek isoliert, die bereits vor der Pandemie aus Immunzellen gesunder Spender:innen hergestellt wurde. Die Studie zeigt, wie sich in Zukunft Wirkstoffe gegen bisher unbekannte, neu auftretende Viren sehr schnell ohne Patientenmaterial erzeugen lassen können.

 Dem Forschungsteam der TU Braunschweig und des HZI ist es gelungen, die Antikörper gegen SARS-CoV-2 mithilfe der Antikörper-Phagen-Display-Technologie komplett im Reagenzglas zu generieren. Grundlage dafür war die bereits bestehende Antikörpergenbibliothek HAL9/10. Bei den am besten wirkenden Antikörpern haben die Forscher:innen zusätzlich die Bindungsstellen zum Virus kartiert und die entsprechende molekulare Interaktionsstruktur modelliert.

„Ohne den wirklich außergewöhnlichen Einsatz aller im Team in den ersten Monaten der Pandemie wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen“, sagt Prof. Michael Hust aus der Abteilung Biotechnologie, der das Projekt bereits im Januar 2020 initiierte. „Neben dem möglichen Nutzen der isolierten Antikörper gegen SARS-CoV-2 demonstriert diese Studie einen Weg, wie in Zukunft Wirkstoffe gegen bisher unbekannte, neu auftretende Viren sehr schnell ohne Patientenmaterial erzeugt werden können.“ Insbesondere bei Krankheitserregern aus entfernten Teilen der Welt könne dies einen entscheidenden Vorsprung im Kampf gegen eine Pandemie bedeuten, da die Forscher:innen bereits die Arbeit an einem Wirkstoff beginnen könnten, bevor es in Europa erste Infizierte gibt. Die Forscher:innen der TU Braunschweig schlagen deshalb in Zusammenarbeit mit dem HZI und weiteren Partnern den Aufbau einer vorsorgend agierenden Infrastruktur zur Abwehr zukünftiger Pandemien vor.

Um gegen zukünftige Pandemien besser gerüstet zu sein, ist es essenziell, langfristig angelegte Strukturen in der Forschung und Entwicklung zu etablieren.

Prof. Dirk Heinz, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI

Im Hochsicherheitslabor von Prof. Dirk Heinz, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI, wurde die Aktivität der Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachwiesen. „Ideal wäre eine nationale Plattform für antivirale Wirkstoffe, an deren Konzeption wir gerade mit Partnern arbeiten. Die erfolgreichen Arbeiten zu den Antikörpern zeigen – gerade in Zeiten eingeschränkter Mobilität – den Wert der engen Zusammenarbeit der hochengagierten Partner auf unserem Forschungscampus. Damit haben wir gezeigt, dass Braunschweig einen weiteren wichtigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten kann.“

Prof. Luka Cicin-Sain und Dr. Ulfert Rand, Leiter und Wissenschaftler der Forschungsgruppe Immunalterung und Chronische Infektionen am HZI, freuen sich sehr über die Ergebnisse der Studie. „Es war ein toller Moment, als wir im Experiment sahen, dass die Antikörper tatsächlich die Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern konnten. Uns war sofort klar, dass wir eine mögliche Waffe gegen die Pandemie in Händen halten“, sagt Ulfert Rand. Cicin-Sain ergänzt: „Ulfert Rand hat in Rekordzeit die Methoden zur Bemessung der antiviralen Aktivität der Antikörper entwickelt. Insgesamt haben uns viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unserer Gruppe und am HZI unterstützt und so für einen ausgesprochenen Teamerfolg gesorgt.“

Dr. Maren Schubert aus der Abteilung Biotechnologie der TU Braunschweig, die mit einer von ihr neu entwickelten Methode zur Produktion der neuen Virusbauteile in Insektenzellen die Arbeiten maßgeblich beschleunigte, sagt: „Wir sind sehr glücklich, dass unser Projekt das Potenzial hat, die Corona-Pandemie abzumildern und Menschenleben zu retten. Aber wir können uns damit auch wesentlich schneller gegen zukünftige Bedrohungen wappnen.“

Prof. Stefan Dübel, Leiter der Abteilung Biotechnologie der TU Braunschweig, ergänzt: „Wir haben mit der Studie gezeigt, wie man gegen zukünftige Epidemien vorher unbekannter Infektionskrankheiten schneller und effektiver vorgehen kann, als es bisher möglich war – auch, wenn diese aus fernen Gegenden der Welt noch gar nicht bis zu uns vorgedrungen sind. Damit haben wir eine neue Option geschaffen, um einer weltweiten Verbreitung, wie wir sie bei SARS-CoV-2 schmerzlich erfahren haben, in Zukunft besser entgegentreten zu können.“

Originalpublikation

Bertoglio, F., Meier, D., Langreder, N., Steinke, S., Rand, U., Simonelli, L., Heine, P. A., Ballmann, R., Schneider, K.-T., Roth, K. D. R., Ruschig, M., Riese, P., Eschke, K., Kim, Y., Schaeckermann, D., Pedotti, M., Kuhn, P., Zock-Emmenthal, S., Wöhrle, J., Becker, M., Grashoff, M., Wenzel, E. V., Russo, G., Kröger, A., Brunotte, L., Ludwig, S., Fühner, V., Krämer, S. D., Dübel, S., Varani, L., Roth, G., Cicin-Sain, L., Schubert, M. & Hust, M.: SARS-CoV-2 neutralizing human recombinant antibodies selected from pre-pandemic healthy donors binding at RBD-ACE2 interface. Nature Communications, 2021, DOI: 10.1038/s41467-021-21609-2