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Neuer Round Table für Forschung und Gesundheitspolitik

Thema Präventionsforschung auf dem ersten Helmholtz-Forum Gesundheit

Berlin, 13. November 2008 - „Mit Spitzenforschung Volkskrankheiten vorbeugen“ - So lautete das Thema des ersten Helmholtz-Forums Gesundheit, zu dem die fünf Gesundheitszentren der Helmholtz-Gemeinschaft heute in Kooperation mit ZEIT WISSEN nach Berlin eingeladen haben. Helmholtz-Wissenschaftler präsentierten neueste Erkenntnisse über innovative Ansätze in der Präventionsforschung. Auf dem einstündigen Podium diskutierten anschließend Vertreter von Gesundheitsforschung, Politik, Pharmaindustrie und Krankenkassen über Möglichkeiten, die Erkenntnisse aus der Forschung zukünftig noch zielgerichteter in die Praxis umzusetzen.

In Deutschland führen Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine traurige Statistik an: Mit fast der Hälfte aller Opfer stehen sie unangefochten auf Platz eins der Liste der Todesursachen, gefolgt von Krebsleiden und Stoffwechselstörungen. Gleichzeitig werden neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson zu einer immer größeren gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Belastung. Trotz rasanter medizinischer Fortschritte lassen sich diese Volkskrankheiten bislang nur eingeschränkt vorbeugen oder erfolgreich therapieren. Manche sind sogar – etwa wegen resistenter Erreger – auf dem Vormarsch. Neue Forschungskonzepte und therapeutische Ansätze sind also gefragt.

Den Fortschritten der modernen Medizin verdanken die westlichen Gesellschaften eine kontinuierlich steigende Lebenserwartung – die sie aber teuer zu stehen kommt. Denn ältere Menschen sind oft kranke Menschen. „Die Frage ist doch: Werden wir Möglichkeiten finden, um länger gesund und aktiv zu bleiben? Dafür treiben die fünf Gesundheitszentren der Helmholtz-Gemeinschaft nun ganz gezielt die Forschung zu großen Volkskrankheiten voran und entwickeln wirksame Maßnahmen zur Früherkennung und Vorbeugung, so Prof. Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Prof. Otmar D. Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums, wies darauf hin, dass die Präventionsforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft bereits bedeutende Erfolge vorzuweisen habe. „Die mit dem diesjährigen Nobelpreis für Medizin gewürdigte Entdeckung, dass bestimmte menschliche Warzenviren Gebärmutterhalskrebs auslösen, hat die Entwicklung der ersten Impfung gegen Krebs ermöglicht,“ betonte Wiestler, „ein neu entwickelter Gentest kann Leben retten, indem er Personen identifiziert, die ein besonders hohes Risiko für einen plötzlichen Herztod tragen.“

Vorbeugen ist besser als heilen. Doch wie erkennt man, wer der Patient von morgen ist und warum ein Mensch krank wird? Prof. H.-Erich Wichmann vom Helmholtz Zentrum München stellte in seinem Vortrag die Bedeutung von großen Kohortenstudien für die Vorbeugung von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen heraus. Diese groß angelegten Untersuchungen sollen genetische und umweltbedingte Risikofaktoren für verschiedene Krankheiten aufzeigen. Dafür sollen nun in der gerade neu bewilligten "Helmholtz-Kohorte" 200.000 gesunde Teilnehmer über 20 Jahre untersucht und begleitet werden.

Ein Organ allerdings entzieht sich weitgehend einer Analyse per Blut- oder Gewebeprobe: das Gehirn. Nicht zuletzt deshalb werden neurodegenerative Leiden wie die Alzheimersche Erkrankung oft erst diagnostiziert, wenn sich bereits Symptome der Demenz manifestiert haben. Die moderne Technik des „Neuroimagings“ soll nun die Suche nach neuen Ansätzen für die Diagnose und Prävention von Demenzerkrankungen und anderen Fehlfunktionen des Gehirns ermöglichen, wie Prof. Karl Zilles vom Forschungszentrum Jülich in seinem Vortrag berichtete. Er und seine Kollegen werden künftig an einem weltweit einzigartigen Gerät arbeiten, das zwei der wichtigsten bildgebenden Verfahren kombiniert. Mit Hilfe dieses Systems wollen die Forscher Prozesse im normal alternden Gehirn entschlüsseln, um diese erstmals von den Vorgängen im erkrankten Organ unterscheiden zu können.

Von einer Schattenseite der HighTech-Medizin handelte der Vortrag von Dr. Susanne Häußler vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Manche Erreger finden heute mehr und mehr Opfer, weil sie auf medizinischen Geräten, Prothesen und anderen Fremdkörpern im Körper perfekte Oberflächen zur Besiedelung finden. Viele dieser Keime entgehen den Attacken unseres Immunsystems ebenso wie der Antibiotikatherapie, weil sie sich in nahezu unangreifbaren Biofilmen zusammenschließen. Die Folge sind chronische, nicht selten lebensgefährliche Infektionen. Häußler und ihr Team untersuchen, welche molekularen Mechanismen für die Entstehung dieser komplexen bakteriellen Gemeinschaften essentiell sind – und wie man sie mit neuen präventiven Ansätzen blockieren kann.

Ebenfalls nur schwer zu bekämpfen sind Viren. Sie dringen in Wirtszellen ein und verstecken sich dort vor der Körperabwehr und Medikamenten. Das kann zu schweren Infektionen führen – in einigen Fällen sogar zu Krebs. Der Gebärmutterhalskrebs etwa ist das zweithäufigste Tumorleiden bei Frauen und wird durch bestimmte Typen des Humanen Papillomvirus verursacht. Prof. Lutz Gissmann vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg war entscheidend an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen diesen Erreger beteiligt, für das Prof. Harald zur Hausen den diesjährigen Medizin-Nobelpreis zuerkannt bekam.

Eine geradezu radikale Prophylaxe kann bei bestimmten Hochrisikopatienten angeraten sein. Ein genetischer Defekt lässt bei ihnen aus Herzmuskelzellen Fett- oder Bindegewebe entstehen. Die Erkrankung verläuft oft schleichend und unbemerkt, kann im schlimmsten Fall aber schon in jungen Jahren zum Herzstillstand führen. Ein neu entwickelter Gentest kann Leben retten, wie Prof. Ludwig Thierfelder vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin-Buch berichtete. Denn wenn die Träger des Defekts frühzeitig identifiziert sind, kann die Erkrankung möglicherweise verhindert werden. In besonders schweren Fällen muss ein Defibrillator in die Nähe des Herzens implantiert werden, der bei gefährlichen Herzrhythmusstörungen das Organ per Stromstoß wieder in den richtigen Takt bringt.

In diesem Fall ist aus einem wichtigen Forschungsergebnis bereits eine Anwendung entstanden. Oft ist dieser Weg aber lang und steinig. „Aus der Forschung in die Praxis: Wie können die Erkenntnisse zur Prävention umgesetzt werden?“ Diesem Thema widmeten sich im Anschluss an die Vorträge Marion Caspers-Merk, Bundesministerium für Gesundheit, Dr. Peter Lange, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Dr. Bernhard Egger, AOK-Bundesverband, Prof. Karl Max Einhäupl, Charité - Universitätsmedizin Berlin, und Dr. Jürgen Schwiezer, Roche Diagnostics. In einem Punkt waren sich alle Teilnehmer der zum Teil kontrovers geführten Diskussion einig: Das Interesse und die Sicherheit der Patienten stehen an erster Stelle. Wie am besten eine zügige Umsetzung vielversprechender Forschungsergebnisse – unter Ausschluss aller Risiken – erreicht werden kann, darüber gingen die Meinungen allerdings auseinander.

 

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