Bioreaktoren
Bioreaktoren im Biotechnikum des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig.
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Neues Antibiotikum gegen Erreger der Flussblindheit und Lymphatischen Filariose

Japanischer Fund fördert Forschung zur Behandlung von Filarieninfektionen

Ein Team unter der Leitung von Prof. Achim Hoerauf, Universitätsklinikum Bonn (UKB), in Kollaboration mit der Universität Bonn und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) entwickelt das Antibiotikum Corallopyronin A (CorA) als Mittel zur Behandlung der vernachlässigten Tropenkrankheiten Flussblindheit und Lymphatischer Filariose weiter. Ihnen ist es nun gelungen, eine Partnerschaft mit der japanischen Pharmafirma Eisai einzugehen und eine hohe Fördersumme einzuwerben. Das Ziel des Teams ist die Entwicklung eines sicheren und nachhaltig wirksamen Medikaments gegen diese Wurmerkrankungen, die durch Mücken auf den Menschen übertragen werden. Die Betroffenen leben überwiegend in Afrika und tropischen Gebieten und benötigen dringend Wirkstoffe, die die langlebigen erwachsenen Würmer abtöten. Das Projekt wird nun mit ca. 5,6 Millionen Euro durch den japanischen Global Health Innovative Technology (GHIT) Fund gefördert.

Infektionen mit Würmern aus der Gruppe der Filarien, auch Filariose genannt, können zur Flussblindheit und unbehandelt auch zur sogenannten Elephantiasis führen – einer Krankheit, bei der sich Extremitäten durch Zerstörung der Lymphbahnen stark vergrößern. Das Leben der Betroffenen ist stark beeinträchtigt. Mehr als 21 Millionen Menschen in Afrika sind mit dem Fadenwurm Onchocerca volvulus, dem Erreger der Flussblindheit, infiziert. Etwa jeder Zehnte davon erblindet. Mit Corallopyronin A haben Prof. Achim Hoerauf und sein Team bereits 2009 ein wirksames Medikament zur Bekämpfung der Würmer gefunden. „Dabei handelt es sich um ein Naturstoff-Antibiotikum, das erfolgreich bei Erkrankten eingesetzt werden kann, da es in erster Linie auf die Bakterien zielt, die als Symbionten in den Würmern leben und die für deren Überleben zuständig sind. In der Folge werden auch die Würmer selbst dadurch zerstört“, sagt Hoerauf.

Klinische Testung steht bevor

Corallopyronin A
Im Myxobakterium Corallococcus coralloides wurde Corallopyronin A erstmals entdeckt.

Das aus einem Umweltbakterium – dem Myxobakterium Corallococcus coralloides – stammende Corallopyronin A wurde in den 80er Jahren von Wissenschaftlern am HZI als wirksames Antibiotikum gegen Staphylokokken erkannt. Infolge der neuen Erkenntnisse zur Wirksamkeit gegen Filarien begann die Forschung zur Anwendung am Menschen. Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln die Forschungsteams die Substanz nun zu einem Medikament weiter. Das Antibiotikum ist gegen die Endosymbionten der Würmer aus der Gruppe der Filarien und weitere zahlreiche Bakterien wirksam. Derzeit befindet sich die translationale Forschung in der Endphase der präklinischen Erprobung und die erste klinische Testung soll schon 2025/2026 erfolgen. Am HZI konnte ein biotechnologischer Prozess etabliert werden, mit dem der Wirkstoff in ausreichender Menge und Reinheit für die Toxizitätsprüfungen produziert werden kann. Auf dem Weg dahin waren die Entwicklung eines Myxobakterienstamms für die heterologe Produktion des Wirkstoffs durch die Abteilung „Mikrobielle Naturstoffe“ von Rolf Müller am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) sowie die Entwicklung eines industriellen Produktionsprozesses in der HZI-Abteilung „Mikrobielle Wirkstoffe“ von Marc Stadler wichtige Meilensteine. Mittlerweile wurde der Produktionsprozess in einen industriellen Maßstab (15.000 Liter) übertragen. Das HIPS ist ein Standort des HZI in Kooperation mit der Universität des Saarlandes.

Eine Herstellerfirma, die Weltmarktführer bei einigen Krebstherapeutika ist und das Antibiotikum in industriellem Maßstab auch für klinische Prüfungen produzieren kann, wurde kürzlich unter Vertrag genommen.

Charakterisierung des Wirkstoffs und Dosierung beim Menschen

Im Rahmen der Förderung durch den GHIT-Fund soll der Wirkstoff nach den strengen Auflagen der Arzneimittelherstellung („Good Manufacturing Practice“, GMP) produziert und die letzten Testungen auf eventuelle Nebenwirkungen abgeschlossen werden, um so eine erste Dosis für die Behandlung beim Menschen zu identifizieren. „Die neuen Erkenntnisse und die bald bevorstehende klinische Studienphase unserer Forschung für die Anwendung beim Menschen stellen eine große Hoffnung für Betroffene dar, die eine Infektion in ihrem Lebensraum nicht vermeiden können und keinen Zugang zu wirksamen Medikamenten haben“, sagt Prof. Hoerauf. „Ich bin sehr froh, dass sich auch eine Weltfirma wie Eisai im Bereich der vernachlässigten Tropenerkrankungen engagiert und mit uns diese Kooperation eingegangen ist.“

Die akademischen Kooperationspartner in dem Projekt sind das Universitätsklinikum Bonn (Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie, Prof. Achim Hoerauf), die Universität Bonn (Abteilung Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Prof. Karl G. Wagner), das HZI (Abteilung Mikrobielle Wirkstoffe, Prof. Marc Stadler) sowie das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung (Abteilung Mikrobielle Naturstoffe, Prof. Rolf Müller).

Charlotte Schwenner

Pressekontakt

Dr. Charlotte Schwenner
Wissenschaftsredakteurin