Autoimmunerkrankungen, wie die rheumatoide Arthritis oder die multiple Sklerose, bei denen das körpereigene Immunsystem Entzündungen hervorruft, werden mit Medikamenten behandelt, die eine bestimmte Sorte der Immunzellen entfernen. Hierbei handelt es sich um die sogenannten B-Zellen, deren wichtigste Rolle die Produktion von Antikörpern gegen Krankheitserreger ist, beispielsweise während einer Infektion. Allerdings können Patient:innen unter Therapie somit auch nach einer Impfung keine schützenden Antikörper bilden.
Für die Immunabwehr sind die Betroffenen dann auf einen anderen Zelltyp angewiesen, die zytotoxischen T-Zellen. „Wir haben bei Patient:innen mit rheumatoider Arthritis gesehen, dass sie nach B-Zell-Depletion auch eine schlechtere T-Zellantwort nach Impfungen zeigen als Gesunde“, sagt Dr. Dr. Theresa Graalmann, Forscherin am Institut für Experimentelle Infektionsforschung am TWINCORE und Assistenzärztin an der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Die Biologin und Medizinerin hat das Forschungsprojekt geleitet und ist Erstautorin der Studie. „Die gleiche Beobachtung konnten wir auch im Mausversuch bestätigen, es handelt sich also um einen speziesübergreifenden Mechanismus. Dieses Projekt ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich klinische Studien mit Mausexperimenten ergänzen lassen, um wichtige Schlüsse für die Patient:innen zu ziehen“, sagt Prof. Ulrich Kalinke, Direktor des Instituts für Experimentelle Infektionsforschung am TWINCORE und Leiter der gleichnamigen Abteilung am HZI.
Die Kommunikation zwischen verschiedenen Immunzelltypen hängt davon ab, ob der Körper als Reaktion auf den Erreger den Botenstoff Typ 1-Interferon (IFN-I) bildet. Wird IFN-I gebildet, sind T-Zellantworten auf B-Zellen angewiesen. Wird jedoch kein IFN-I gebildet, können T-Zellen auch ohne Unterstützung die Immunantwort leisten. „Bei Impfungen ist das genauso“, sagt Graalmann. „Je nach Wirkprinzip funktionieren die T-Zellen entweder mit oder ohne IFN-I.“ Die T-Zellantwort alleine erzeugt auch ein gewisses Maß an Impfschutz.
Die Wirkung von Rituximab, einem Medikament das häufig für die Therapie von Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird, hält etwa sechs Monate an. Danach beginnt der Körper, wieder B-Zellen zu bilden. „Normalerweise kann man die Patient:innen impfen, bevor sie die nächste Dosis Rituximab bekommen“, sagt Prof. Torsten Witte aus der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der MHH. „Mit der COVID-19-Impfung ein halbes Jahr zu warten, könnte für diese Menschen allerdings lebensgefährlich sein. Sie sind besonders gefährdet, im Fall einer Coronavirusinfektion schwere Krankheitsverläufe zu entwickeln.“
Die verschiedenen COVID-19-Impfstoffe basieren auf zwei verschiedenen Technologien, mRNA oder Vektor. „Die mRNA-Impfstoffe induzieren IFN-I, somit ist ist davon auszugehen, dass die T-Zellantwort ohne vorhandene B-Zellen entsprechend ausbleibt. Bei den vektorbasierten Impfstoffen wird kein Interferon gebildet“, sagt Graalmann. Es kommt zu einer T-Zellantwort und auch ohne B-Zellen kann ein gewisser Impfschutz aufgebaut werden. „Aus unseren Daten können wir also die Empfehlung ableiten, dass mit Rituximab behandelte Patient:innen besser mit einem Vektorimpfstoff immunisiert werden sollten, um auch ohne B-Zellen zu einem gewissen Impferfolg zu kommen“, sagt Graalmann. In einem nächsten Schritt muss dieses Konzept noch in klinischen Tests untersucht werden.
Zur Pressemitteilung des TWINCORE
Originalpublikation:
Theresa Graalmann, Katharina Borst, Himanshu Manchanda, Lea Vaas, Matthias Bruhn, Lukas Graalmann, Mario Koster, Murielle Verboom, Michael Hallensleben, Carlos Alberto Guzmán, Gerd Sutter, Reinhold E Schmidt, Torsten Witte, Ulrich Kalinke. B cell depletion impairs vaccination-induced CD8+ T cell responses in a type I interferon-dependent manner. Annals of the Rheumatic Diseases Jul 2021, annrheumdis-2021-220435; DOI: 10.1136/annrheumdis-2021-220435