Eure Arbeit beschreibt eine neue Behandlungsmöglichkeit für Infektionen mit dem Keim Pseudomonas aeruginosa. Warum ist dieses Bakterium so gefährlich und warum werden neue Behandlungskonzepte benötigt?
J. Haupenthal: „Dieser Erreger spielt eine wichtige Rolle bei Infektionen der Lunge, von Wunden und der Augen und wird hauptsächlich in Krankenhäusern übertragen. Das Bakterium produziert bei der Infektion eine ganze Reihe von Toxinen mit zum Teil gewebeschädigenden Eigenschaften, oft mit schwerwiegenden Folgen für die Patienten. Da das Auftreten von Antibiotikaresistenzen eine immer wichtigere Rolle spielt, stuft die WHO antibiotikaresistente "priority pathogens" in drei Schweregrade ein. P. aeruginosa zählt als Priorität 1-Erreger zur kritischsten der drei Gruppen, weil es gegen eine Reihe von Antibiotika, darunter Carbapeneme und Cephalosporine, resistent geworden ist.“
Wie habt ihr ein Molekül gefunden, das die Virulenz von P. aeruginosa blockieren kann, und wie habt ihr es optimiert?
J. Haupenthal: „Zunächst konzentrierten wir uns auf das Protein LasB als bekanntes und vielversprechendes Ziel. Wir reinigten LasB auf und suchten nach Verbindungen, die seine enzymatische Funktion hemmen könnten. Von dem vielversprechendsten Treffer haben wir schrittweise etwa 500 Derivate synthetisiert. Das rationale Design unserer neuen Moleküle basierte auf Struktur-Wirkungs-Beziehungen und hochauflösenden Ko-Kristallstrukturen unserer Verbindungen mit LasB. Dadurch konnten wir uns ein sehr genaues Bild davon machen, wie unsere Substanzen mit LasB interagieren und die Inhibitoren über verschiedene Parameter hinweg optimieren.“
Die von Euch entwickelten Verbindungen töten die Bakterien also nicht ab, sondern machen sie lediglich unschädlich. Was ist der Vorteil dieses Ansatzes?
J. Haupenthal: „Die Tatsache, dass die Lebensfähigkeit der Bakterien durch unseren Ansatz nicht beeinträchtigt wird, bedeutet unter anderem, dass auch die gutartigen und nützlichen Bakterien, z.B. im menschlichen Darm, nicht gefährdet werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir durch solche Substanzen einen geringeren Selektionsdruck auf die Krankheitserreger ausüben als Antibiotika, da wir nicht versuchen sie zu töten. Das sollte in der Folge auch die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzentwicklung verringern. Außerdem kann durch die gleichzeitige Verabreichung unserer LasB-Inhibitoren mit einem Standard-Antibiotikum die Dosis des letzteren reduziert werden.“
In einem Mausmodell habt ihr den entwickelten Wirkstoff mit einem klassischen Antibiotikum kombiniert - warum nicht einfach den Pathoblocker allein?
A. Kany: „Die neuartigen Pathoblocker machen die Bakterien weniger schädlich, aber sie töten sie nicht direkt ab. Deshalb haben wir den LasB-Inhibitor mit dem Standardantibiotikum Levofloxacin kombiniert und eine Dosis dieses Antibiotikums verwendet, die allein nicht wirksam ist. In Kombination mit unserem Pathoblocker haben wir jedoch einen Effekt beobachtet, der unsere Arbeitshypothese bestätigt, dass wir mit den Pathoblockern die Wirksamkeit von klinisch eingesetzten Antibiotika erhöhen können."
Was muss noch getan werden, bevor diese Behandlungsmöglichkeit klinisch eingesetzt werden kann?
A. Kany: „Der Datensatz, der uns derzeit zur Verfügung steht und der in diesem Artikel dargestellt wird, ist sehr vielversprechend für die weitere Entwicklung, aber natürlich sind weitere Schritte erforderlich, um daraus ein Medikament zu machen. Dazu gehören weitere Untersuchungen der Wirksamkeit im Tierversuch, z. B. gegen verschiedene Stämme von P. aeruginosa einschließlich klinischer Isolate von Patienten. Darüber hinaus zeigen unsere bisherigen Daten, dass die Verbindungen gut verträglich sind, sich nicht gegen LasB-ähnliche Enzyme aus dem Menschen richten und für menschliche Zellen nicht toxisch sind. Dies ist zwar sehr vielversprechend, aber auf dem Weg zur Anwendung in der Klinik sind noch weitere, komplexere Sicherheitsmerkmale erforderlich, die wir jetzt Schritt für Schritt angehen.“
Dr. Alwin Hartman führte das Interview.