Eine Streptokokken-Infektion kann mit einer harmlosen Halsentzündung ausgestanden sein – sie kann aber auch tödliche Gefahr oder lebenslange Schädigung bedeuten. Entscheidend ist dafür meist der jeweilige Bakterienstamm, häufig auch die individuelle Anfälligkeit des Patienten. Wissenschaftler wollen jetzt einen Test entwickeln, mit dem sich die Gefährdung im Einzelfall schnell ermitteln lässt. Dazu werden sie Patientenproben aus Indien auswerten, wo vor allem Kinder sehr häufig an bedrohlichen Streptokokken-Infektionen erkranken. Das Forschungsprojekt ASSIST, an dem sich Partner aus Europa und Indien beteiligen, wird vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig koordiniert. Die EU fördert es mit 1,5 Millionen Euro.
Experten schätzen, dass Streptokokken-Infektionen jedes Jahr bei rund 600 Millionen Menschen auftreten. Die Mehrzahl kommt mit einer kurzen entzündlichen Erkrankung in Hals oder Rachenraum davon. Fast zwei Millionen Menschen jedoch erleiden alljährlich eine der gefürchteten Komplikationen. Dazu zählen so genannte invasive Erkrankungen, bei denen großflächig Gewebe abstirbt, sowie rheumatisches Fieber, das oft Herzschäden nach sich zieht.
„Die rheumatische Herzerkrankung als Spätfolge einer Streptokokken-Infektion verläuft sehr dramatisch“, erklärt Prof. Singh Chhatwal, Bereichsleiter am Helmholtz-Zentrum und Koordinator des ASSIST-Projekts. „Sie befällt vor allem Kinder, und häufig kann nur eine Herzklappen-Transplantation ihr Leben retten.“ Von den 15 Millionen Kindern weltweit, die an dieser Krankheit leiden, leben 6 Millionen allein in Indien. „Dort fehlt es oft an geeigneten Diagnose-Methoden und an Antibiotika, mit denen man die Krankheit gut auskurieren kann“, sagt Chhatwal, der als gebürtiger Inder die Verhältnisse aus eigener Anschauung gut kennt. Anlass zur Hoffnung bietet es, dass nur weniger als zehn Prozent der vielen Streptokokken-Untertypen in der Lage sind, die schweren Komplikationen auszulösen. „Wenn man in einem unkomplizierten Test schnell erkennen könnte, ob jemand mit dem gefährlichen Erreger-Typ befallen ist, dann könnte man sich auf diese Fälle konzentrieren“, meint Chhatwal. Und hofft: „Weil das weit weniger sind als die Gesamtzahl der an Streptokokken Erkrankten, wäre vielfach auch in ärmeren Gegenden eine intensive Antibiotika-Therapie möglich.“
Die ASSIST-Forscher wollen in den kommenden Jahren Erkenntnisse über die in Indien verbreiteten Streptokokken-Stämme sammeln. Auch angeborene Dispositionen, die Menschen besonders anfällig für die gefährlichen Erreger machen, werden sie dabei untersuchen. Auf der Basis dieser Erkenntnisse soll dann der Schnelltest entwickelt werden. Denkbar wäre etwa ein Verfahren zum Nachweis bestimmter Oberflächen-Moleküle oder Gene, die nur bei den gefährlicheren Keimen auftreten. Die Datengrundlage liefert Patientenmaterial von der gefährdetsten Altersgruppe in der meistbetroffenen Gegend der Welt: „Die indischen Projektpartner“, erklärt Chhatwal, „werden Rachenabstriche von 25 000 indischen Schulkindern nehmen und auswerten.“
Das Forschungsprojekt ASSIST
ASSIST ist eine Abkürzung und setzt sich aus einigen Anfangsbuchstaben des vollen Projektnamens zusammen: „Comprehensive approach to understand streptococcal diseases and their sequelae to develop innovative strategies for diagnosis, therapy, prevention and control“. Projektpartner sind neben dem Helmholtz-Zentrum das Karolinska Institut Stockholm (Schweden), die University of St. Andrews (Großbritannien) sowie drei indische Einrichtungen: Das Postgraduate Institute of Medical Education in Chandigarh, das Christian Medical College in Vellore und das All Indian Institute of Medical Sciences in New Delhi. Die EU unterstützt ASSIST im Rahmen ihres Programms „Specific measures in support of international cooperation“ (INCO).
Fotos:
Chhatwal_2006_04:
Prof. Singh Chhatwal, leitender Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.
Foto: Helmholtz-HZI
Poster_indisch:
Ein indisches Plakat, das vor den Gefahren einer Streptokokken-Infektion warnt.
Foto: Helmholtz-HZI
Indien_Halsabstrich:
Indisches Mädchen bei einer Reihenuntersuchung.
Foto: Helmholtz-HZI