In unserem Alltag steckt heute jede Menge KI, zum Beispiel in Suchmaschinen, in Sprachassistenten, in verschiedenen Apps auf dem Smartphone. Wie viel KI steckt mittlerweile in Ihrer Forschung?
Andreas Keller: (lacht) Jede Menge! In unserer Forschung spielt KI eine ganz zentrale Rolle. Maschinelles Lernen, das ein Teilbereich der KI ist, wird in der Infektionsforschung bereits seit mehreren Jahrzehnten angewandt. Wirklich neu ist die Nutzung von KI hier also durchaus nicht. Die sogenannten neuronalen Netze, die im Prinzip so ähnlich wie ein menschliches Gehirn funktionieren, sind eine weitere häufig genutzte Form der KI. KI-Modelle sind wertvolle Werkzeuge, die es uns ermöglichen, riesige Datenmengen zu analysieren und Wissen und Zusammenhänge aus ihnen zu extrahieren. Das wird auch als Data Science bezeichnet und ist ein ganz wichtiger Teil unserer heutigen Forschung. Dabei ist die Wahl des passenden KI-Modells genauso entscheidend wie die Qualität der Daten.
Yang Li: Dem stimme ich voll und ganz zu! Aus einer mangelhaften Datengrundlage lassen sich auch mithilfe von KI keine guten Analyseergebnisse gewinnen. Damit wir KI-Modelle für unsere Forschung effizient nutzen und aussagekräftige Ergebnisse erzielen können, sind qualitativ hochwertige, detaillierte und umfangreiche Datenressourcen essenziell. Mit modernen Hochdurchsatzverfahren lassen sich heute immer schneller und kostengünstiger wertvolle Datensätze generieren, die wir für unsere Forschungsprojekte nutzen. Außerdem arbeiten wir eng mit der Medizinischen Hochschule Hannover zusammen und haben so Zugang zu großen Patientenkohorten. In meiner Arbeitsgruppe setzen wir für unsere Datenanalysen regelmäßig KI-Tools ein.
Wie kann KI in der individualisierten Infektionsmedizin konkret helfen?
Andreas Keller: Was heute bereits an einigen Kliniken gemacht wird, ist, dass man bei Patienten mit bakteriellen Infektionen und schwerem Erkrankungsverlauf die Gensequenz des Erregers ermittelt und mithilfe von KI-Tools daraus mögliche Angriffspunkte ableitet und Vorschläge für passende Antibiotika erhält. Eine solche Schnelldiagnostik kommt selbstverständlich nicht bei jedem Schnupfen zur Anwendung. Dafür ist das Verfahren bislang noch zu aufwendig und zu teuer.
Yang Li: Doch in diese Richtung wird es in Zukunft sicher weitergehen. Vorstellbar wäre, dass es im klinischen Alltag medizinische KI-Assistenten geben wird, die die Ärzte auf einer sehr viel breiteren Ebene bei der Diagnosestellung und der Planung der Behandlung unterstützen können. Die Betonung liegt hier auf „unterstützen“, denn KI kann Ärzte und Ärztinnen nicht vollständig ersetzen. Fest steht: Mit KI wird in der individualisierten Infektionsmedizin künftig noch vieles möglich sein, was den Patienten zugutekommen wird.