Sehnenverletzungen mittels einer Stammzell-Therapie heilen: Das könnte in Zukunft medizinisch möglich sein. Bei Ratten mit einer geschädigten Achillessehne ist es Wissenschaftlern jetzt gelungen. Die Forscher verpflanzten Stammzellen in die verletzte Sehne und stimulierten sie mit einem Wachstumsfaktor und einem Signalmolekül namens „Smad8“, was zu einer Regeneration des Sehnen-Gewebes führte. Seine Erkenntnisse beschreibt das deutsch-israelische Forscherteam, dem Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig angehören, in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Clinical Investigation.
Sehnen- und Bänderverletzungen, wie sie beim Sport, aber auch bei Rheuma- oder Diabeteskranken auftreten, sind für klinische Mediziner noch immer eine beträchtliche Herausforderung. Allein in den USA unterziehen sich jedes Jahr rund 200 000 Patienten einer Sehnen- oder Bänderbehandlung. „Um gerissene Sehnen oder Bänder zu heilen, gibt es nur wenige Optionen“, erklärt GBF-Wissenschaftler Dr. Gerhard Gross. „Meist transplantiert man dazu eigenes oder fremdes Sehnen-Gewebe oder einen künstlichen Gewebe-Ersatz.“ Zufrieden stellende Langzeit-Lösungen, so Gross, böten all diese Methoden nicht: „Es kommt häufig zu Komplikationen, von Immun- und Abstoßungsreaktionen bis zur Abnutzung des Implantats.“
Eine alternative Methode hat die GBF-Arbeitsgruppe von Dr. Gross, Dr. Andrea Hoffmann und ihren israelischen Kollegen aus Jerusalem und Tel Aviv jetzt erfolgreich erprobt und beschrieben. Sie verwendeten dazu adulte Stammzellen, die – anders als die embryonalen Stammzellen, deren Einsatz in der Forschung umstritten ist – im Körper erwachsener Menschen vorkommen, aber auch gut in Kultur gezüchtet werden können. Ein Untertyp, die so genannten mesenchymalen Stammzellen (kurz: MSC), wird im Knochenmark gebildet. MSC dienen dem Organismus als vielseitige Eingreiftruppe: „Aus MSC können sich bei Bedarf knochenbildende Zellen entwickeln“, erklärt Andrea Hoffmann, „aber auch knorpelbildende oder Muskelzellen oder Fettspeicherzellen. Und vor allem, was uns am meisten interessiert: Sehnenzellen.“
Um die MSC dazu zu bringen, muss allerdings Smad8 in vorhanden sein: Dieses Molekül überträgt Signale, die die Zelle von außen erhält, und übersetzt sie in den „Befehl“, Sehnen zu bilden. Gross, Hoffmann und die israelischen Kollegen konnten zeigen: MSC-Zellen, die besonders viel Smad8 sowie den ebenfalls bedeutsamen Wachstumsfaktor Bmp2 produzieren, sorgen für massenhaftes Sehnen-Wachstum. Zumindest bei Ratten ließ sich dieser Effekt auch für eine Therapie nutzen.
„Ob ein entsprechendes Heilungsverfahren auch beim Menschen wirken würde, müssen künftige Untersuchungen zeigen“, erklärt Gross. „Es wird sicher mehrere Jahre dauern, bis das erprobt ist.“
Hinweise für die Medien
Detaillierte Informationen bietet der Originalartikel: A. Hoffmann, G. Pelled, G. Turgeman, P. Eberle, Y. Zilberman, H. Shinar, K. Keinan-Adamsky, A. Winkel, S. Shahab, G. Navon, G. Gross and D. Gazit. Neotendon Formation Induced by Manipulation of the Smad8 Signalling Pathway in Mesenchymal Stem Cells. Journal of Clinical Investigation, 2006, Vol. 116 (4).
Bildunterschrift
"Auf der Suche nach neuen Therapien für verletzte Sehnen: Dr. Gerhard Gross und Dr. Andrea Hoffmann in ihrem Labor an der GBF. Foto: GBF/Gramann"