Elektronenmikroskopische Aufnahme von Viruspartikeln des Grippeerregers Influenza.
Elektronenmikroskopische Aufnahme von Viruspartikeln des Grippeerregers Influenza H1N1.
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Universeller Grippeimpfstoffkandidat schützt im Tiermodell vor Infektion

Studie von Forschenden des HZI und aus den USA identifiziert Impfstoffformulierung für breitreaktive Antikörperreaktionen.

Jährliche Grippeimpfstoffe schützen vor schweren Infektionen, sind aber unterschiedlich wirksam und können nicht immer die virulentesten Stämme der Saison abdecken. Ein universeller Grippeimpfstoff, der die Menschen vor allen Virusstämmen schützt und im Idealfall länger als nur eine Saison hält, ist nach wie vor nicht in Sicht. Das von der Europäischen Kommission finanzierte INCENTIVE-Konsortium, das am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) von Prof. Carlos A. Guzman koordiniert wird, nimmt sich dieses großen Hindernisses an. Ergebnisse, die kürzlich im Journal of Virology veröffentlicht wurden, lassen vermuten, dass ein universeller Grippeimpfstoff in greifbare Nähe rückt.

Forscher:innen des Lerner-Research Instituts der Cleveland Clinic, USA, und des HZI haben berichtet, dass ihr universeller Grippeimpfstoffkandidat bei Frettchen eine starke Immunreaktion auslöste und einen Schutz gegen schwere Infektionen sowie eine rasche Beseitigung des Virus nach der Exposition bot. Diese neue Arbeit baut auf frühere wegweisende Studien der Gruppe von Ted M. Ross, Ph.D., Direktor der globalen Impfstoffentwicklung an der Cleveland Clinic, zur Entwicklung der Antigene auf sowie auf eine mukosales Adjuvans, das am HZI vom Team von Prof. Guzman, Leiter der Abteilung „Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie“, entwickelt wurde. 

Laut der Virologin Naoko Uno, Ph.D., die die Studie an der Cleveland Clinic leitete, hoffen die Forscher:innen, innerhalb von ein bis drei Jahren klinische Versuche am Menschen durchführen zu können. „Wir wollen sicherstellen, dass unser Impfstoff nicht nur für eine, sondern für mehrere Saisons geeignet ist und gegen alle Stämme schützt, die Menschen befallen“, sagt sie.

Wissenschaftler:innen haben vier Arten von Grippeviren identifiziert, von denen jedoch zwei - Influenza A und Influenza B - die größte Gefahr für den Menschen darstellen. Die saisonalen Grippeimpfstoffe enthalten Proteine von drei oder vier zirkulierenden Subtypen dieser Viren, darunter H1N1, H3N2 und IBV. Da das Virus jedoch so schnell mutiert, ist die Vorhersage, welche Stämme das größte Risiko darstellen, und damit auch die Auswahl der Inhaltsstoffe, ein Ratespiel.

Die Forscher:innen in Ross' Labor haben die neuen Antigene für die Impfstoffkandidaten mithilfe einer Methode namens COBRA (engl.: Computationally Optimized Broadly Reactive Antigens) entwickelt. Zunächst luden sie Tausende von Gensequenzen pathogener Grippestämme aus einer Online-Datenbank herunter, die sich über mehrere Saisons erstreckten. Dann analysierten sie diese Sequenzen digital, um herauszufinden, welche Aminosäuren - die Bausteine der Proteine - über Viren und Grippesaisons hinweg konserviert sind.

Die Forscher:innen identifizierten Gruppen von Proteinen für verschiedene Subtypen. Um einen weitreichenderen Impfstoff zu entwickeln, identifizierte die Gruppe acht Proteine aus diesen früheren Studien, die mit einer anhaltenden Immunreaktion in Verbindung gebracht werden. Uno sagt: „Wir konnten diese Liste reduzieren und festhalten, dass diese Proteine am besten geeignet sind, mehrere Grippesaisons zu überbrücken und eine breit reaktive Antikörperreaktion hervorzurufen. Es ist wie ein Album mit den größten Hits. Wir wollen nur die besten wieder in den Impfstoff aufnehmen".

Zu diesen größten Hits gehörten Proteine von H1- und H3-Typen von Influenzaviren, aber auch Proteine von H2, H5 und H7-Viren, also von Stämmen, gegen die die meisten Menschen keine Antikörper haben. Einige dieser Viren haben pandemisches Potenzial. Frühere Ausbrüche der Vogelgrippe (H5N1) haben zu einer hohen Sterblichkeitsrate bei Menschen geführt, und im März 2024 wurde das Virus bei Milchkühen in Texas, USA, gefunden. Seitdem wurden vier Personen, die mit Rindern arbeiten, mit dem Virus infiziert. Darüber hinaus hat sich das Virus auf Dutzende von Herden in mehreren US-Bundesstaaten und auf andere Tierarten wie Seelöwen, Vögel, Katzen und Alpakas ausgebreitet. „Wir haben gezeigt, dass unser H5-Impfstoff viele verschiedene Kladen abdeckt“, sagt Uno.

„Wie wir bei SARS-CoV-2 gesehen haben, kann ein Impfstoff, der nicht in der Lage ist, eine lokale Immunantwort zu stimulieren, nicht wirksam vor einer Infektion oder Übertragung schützen“, sagt Guzman. Vor Beginn der neuen Arbeiten wurden daher verschiedene Formulierungen, die das am HZI entwickelte mukosale Adjuvans c-di-AMP enthalten, nach intranasaler Impfung bei Mäusen untersucht. „Wir konnten Impfstoffformulierungen identifizieren, die die Produktion von Blut- und sekretorischen Antikörpern sowie die zelluläre Immunität gegen das Virus anregen, so dass die Mäuse, die dem Erreger ausgesetzt waren, vor einer Infektion geschützt waren“, sagt Dr. Thomas Ebensen aus Guzmans Abteilung am HZI. „Dies ermöglichte es uns, die optimale Impfstoffzusammensetzung für die in der Publikation vorgestellten Frettchenstudien von Uno auszuwählen. Wir gehen davon aus, dass dieser innovative Impfstoff, der Schleimhautreaktionen stimulieren kann, sowohl vor Krankheit als auch vor Infektion schützen kann und auch das Risiko einer horizontalen Übertragung von infizierten Individuen auf empfängliche Wirte verringert. Das ist bei einem Pandemieerreger von entscheidender Bedeutung“, sagt Guzman.

Originalpublikation

Uno N, Ebensen T, Guzman CA, Ross TM. Intranasal administration of octavalent next-generation influenza vaccine elicits protective immune responses against seasonal and pre-pandemic viruses. J Virol 0:e00354-24. DOI: 10.1128/jvi.00354-24

Charlotte Schwenner

Pressekontakt

Dr. Charlotte Schwenner
Wissenschaftsredakteurin