Alexander Becker in Laborkittel betrachtet Petrischale
Schülerforscher Alexander Becker im Labor des HIPS.
Interview

Vom Bergwerk in die Petrischale

HIPS-Schülerforscher Alexander Becker gewinnt Landeswettbewerb „Jugend forscht“ im Fachgebiet Biologie

Eigentlich würde man erwarten, dass ein Abiturient kurz vor den schriftlichen Abschlussprüfungen kaum Zeit für außerschulische Aktivitäten hat. Dennoch findet man Alexander Becker auch zu dieser Zeit regelmäßig in den Laboren des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Saarland (HIPS), einem Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes. Dort versucht der 18-jährige Schüler des Gymnasiums am Stefansberg in Merzig Myxobakterien aus ganz besonderen Bodenproben zu isolieren. Diese Arbeiten sind Teil eines Projektes, mit dem er erfolgreich am Nachwuchswettbewerb Jugend forscht teilgenommen hat. Gemeinsam mit zehn weiteren Schülerinnen und Schülern aus dem Saarland konnte er sich so für den 59. Bundeswettbewerb von Jugend forscht qualifizieren, der vom 30. Mai bis 2. Juni 2024 in Heilbronn stattfinden wird.

Alexander, du hast vor kurzem den saarländischen Landeswettbewerb Jugend forscht im Fachgebiet Biologie gewonnen – herzlichen Glückwunsch! Worum ging es in deinem Projekt?

In dem Projekt geht es um die Suche nach interessanten Bakterien aus Kupferbergwerken, die in der Lage sind neue nützliche Substanzen, zum Beispiel Antibiotika, zu produzieren. Einer der vielversprechendsten Ansätze gegen das Problem multiresistenter Keime ist es, neue Wirkstoffe in Mikroorganismen zu suchen, die in einem Konkurrenzkampf mit Bakterien stehen und deshalb antimikrobielle Naturstoffe produzieren. In meiner Arbeit habe ich sogenannte Myxobakterien gefunden. Das ist eine Ordnung sehr spannender Bakterien, die in Schwärmen Jagd auf andere Bakterien machen. Um ihre „Beute“ verdauen zu können, produzieren sie eine Vielzahl antibiotisch wirkender Substanzen, die in der Zukunft potenziell pharmazeutisch genutzt werden können. Bei meinem Projekt wurde ich durch HIPS-Wissenschaftler Daniel Krug unterstützt, der auch mit mir zusammen die Kupferbergwerke besucht hat.

Warum hast du dich bei deiner Suche ausgerechnet für Kupferminen entschieden? Sind das nicht eigentlich eher lebensfeindliche Räume?

Stimmt genau, Kupfer und Kupferverbindungen sind bekanntermaßen sehr schädlich für Organismen. Daher werden Beschichtungen auf Kupferbasis zur Bekämpfung von Keimen bereits untersucht, zum Beispiel für Türklinken in Krankenhäusern. Doch es gibt auch Bakterien, die mehr Kupfer vertragen und trotzdem auf solchen Oberflächen wachsen können. Ferner spielt Kupfer auch in der Immunabwehr eine wichtige Rolle. Das bedeutet, dass wenn man in manchen Keimen die Kupfertoleranz ausschaltet, diese nicht mehr infektiös sind. Das macht solche Toleranzmechanismen zu interessanten Angriffspunkten für neue Wirkstoffe. Außerdem erwartet man in solchen eher lebensfeindlichen Umgebungen einzigartige angepasste Mikroorganismen, die man nirgends sonst finden kann. Die Arbeit am Projekt hat auch gezeigt, dass in Kupferbergwerken sehr viele verschiedene, auch bisher völlig unbekannte, Bakterien zu finden sind. In einem Bergwerk konnten wir sogar einen riesigen Pilz entdecken, der eine ganze Ecke des Stollens bewuchert.

Wie seid ihr in die Minen reingekommen? Im Saarland wird doch schon länger kein Kupferbergbau betrieben, oder?

Das hat tatsächlich viel Vorbereitung gekostet. Nach einiger Recherche konnte ich tatsächlich drei Minensysteme finden und habe bei den Verantwortlichen nachgefragt. Das waren zunächst die Besucherbergwerke in Düppenweiler und Fischbach in Rheinland-Pfalz. Der Betriebsleiter in Fischbach war sehr neugierig auf das Projekt und hat sich dazu bereit erklärt, uns den Besucherstollen aufzuschließen. Aufgrund eines Missverständnisses kam ich in Düppenweiler nicht mit dem Besucherbergwerk in Kontakt, sondern mit einer direkt benachbarten Forschungsgrabung, die den historischen Bergbau auf dem Gelände untersucht. Das war sogar noch interessanter: Dieser Stollen ist noch relativ neu und da keine Besucher hindurchlaufen, ist das mikrobielle Ökosystem wenig durch Menschen gestört. Die Verantwortlichen waren zwar skeptisch, ob man dort etwas finden würde, erlaubten mir aber trotzdem, einige Proben zu sammeln. Am spannendsten war die dritte Mine. Der Sonnenkupp-Stollen in der Nähe von Wallerfangen ist bereits in der Römerzeit verwurzelt und wurde im Jahr 1857 letztmalig geschlossen. Nach viel Telefonieren mit dem Landkreis Saarlouis, kam ich an den Denkmalschutzbeauftragten und Leiter der AG Historischer Bergbau des Historischen Museums Wallerfangen. Auch er war sehr an dem Projekt interessiert, hat uns das Bergwerk aufgeschlossen und uns sogar eine ausführliche Führung durch den Stollen gegeben.

Wie weit bist du bei deiner Suche nach neuen Bakterien und Naturstoffen gekommen? Hast du schon eine aufregende Entdeckung machen können?

Ich konnte bisher 85 neue Stämme identifizieren; an einem weiteren Dutzend arbeite ich gerade. Darunter sind mindestens 18 neue Arten und neue Gattungen oder sogar noch entfernter mit bekannten Organismen verwandte Bakterien. Interessanterweise findet sich in verschiedenen Proben zweier Bergwerke der gleiche Myxococcus. Möglicherweise tritt dieser standortspezifisch für Kupfer-reiche Umgebungen auf. Das möchte ich mir definitiv näher anschauen. Er ist auch in der Lage ein bereits bekanntes Antibiotikum, das Myxalamid, zu produzieren. Das weckt Hoffnung, dass diese Art auch zu mehr fähig ist. Auch ein paar der anderen Bakterien zeigen bereits, dass sie antibiotisch-wirksame Substanzen produzieren können. Die genaueren Untersuchungen dazu stehen aber noch aus.

Yannic_Nonnenmacher

Pressekontakt

Dr. Yannic Nonnenmacher
Referent Wissenschaftliche Strategie