Neue Antibiotika-Varianten nach Maß von Bakterien hergestellt: Das ist keine ferne Zukunftsvision mehr, sondern dank der Pionierarbeit von Prof. Peter Leadlay bereits teilweise möglich. Zahlreiche Mikroorganismen produzieren chemische Substanzen mit medizinischer Wirkung, von denen sich einige zu Arzneimitteln weiterentwickeln lassen. Peter Leadlays Erkenntnisse machen es inzwischen möglich, Bakterien bei der Produktion dieser Naturstoffe gezielt zu steuern. Für seine wegweisenden Arbeiten erhält der Forscher nun die Inhoffen-Medaille, eine mit 5 000 Euro dotierte Auszeichnung des Fördervereins des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und der Technischen Universität (TU) Braunschweig.
Peter Leadlay ist es als erstem gelungen, den genetischen Code des Produktionsweges sogenannter Polyketide zu entschlüsseln. Die Stoffklasse der Polyketide zeichnet sich durch eine besonders große Vielfalt verschiedener Substanzen aus, die von Bakterien hergestellt werden und häufig eine biologische Aktivität besitzen. Einige von ihnen töten zum Beispiel andere Bakterien ab – sie wirken als natürliches Antibiotikum.
Eines dieser Polyketide ist das Erythromycin, ein heutzutage gängiges Antibiotikum gegen Infektionen der Atemwege. Leadlay konnte die genetischen Grundlagen der Erythromycin-Bildung in Bakterien aufklären und hat somit die Tür für ein ganz neues Forschungsfeld geöffnet: Durch die gezielte Veränderung des genetischen Codes ist es nun möglich, in den bakteriellen Produktionsweg einzugreifen und so zu neuen Substanzen mit optimierter Wirksamkeit zu gelangen. Da inzwischen viele Krankheitserreger Resistenzen gegen die üblichen Antibiotika ausgebildet haben, ist die Entwicklung alternativer Wirkstoffe umso wichtiger.
„Es ist wirklich eine große Ehre, diesen Preis für meine Antibiotika-Forschung entgegennehmen zu dürfen”, sagt Peter Leadlay über die Auszeichnung mit der Inhoffen-Medaille. „Die Liste der bisherigen Preisträger enthält ohne Ausnahme bedeutende Wissenschaftler aus dem Bereich der chemischen Biologie.”
Peter Leadlay studierte Chemie an der Universität von Oxford, Großbritannien, und promovierte dort im Jahr 1974. Anschließend arbeitete er zwei Jahre an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, wechselte dann wieder zurück an die Universität von Oxford und ist seit 1979 an der Universität von Cambridge tätig. Dort erhielt er 1999 eine Professur für Molekulare Enzymologie und hat seit 2006 eine Professur für Biochemie inne.
Die vom Förderverein des HZI gestiftete Inhoffen-Medaille wurde während der Inhoffen-Vorlesung von Prof. Joachim Klein, dem Vorsitzenden des Fördervereins und der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, überreicht. Die Vorlesung fand am Donnerstag, 3. Mai, in der Aula des Hauses der Wissenschaft, Pockelsstraße 11, in Braunschweig statt.
Auszeichnung exzellenter Doktorarbeiten
Neben der Inhoffen-Medaille vergibt der Förderverein den mit 1 000 Euro dotierten Förderpreis für herausragende Doktorarbeiten der TU Braunschweig und des HZI. In diesem Jahr wurden gleich zwei Nachwuchsforscher mit dem Förderpreis ausgezeichnet: Dr. Christina Ziegler und Dr. Nick Quade. Beide haben ihre Promotion am HZI absolviert.
Christina Ziegler konnte zeigen, wie Staphylokokken den Angriff durch das Immunsystem überstehen und eine chronische Infektion auslösen. Diese Bakterien können schwere Erkrankungen verursachen und stellen durch ihre häufig erworbene Resistenz gegen Antibiotika für den Menschen ein ernsthaftes Problem dar. Nick Quade hat in seiner Promotion unter anderem die Struktur eines Enzyms aufgeklärt, das an der Herstellung der Polyketide beteiligt ist und wesentlich zur Vielfalt dieser Stoffklasse beiträgt. Quades Erkenntnisse bilden einen weiteren Grundstein dafür, Enzyme der Polyketid-Produktion gezielt zu verändern und so neue Naturstoffe mit medizinischer Wirkung zu erhalten.
Zur Förderung der Biotechnologie wird außerdem der Fritz-Wagner-Preis verliehen. Die mit 500 Euro dotierte Auszeichnung ging an den Pharmazeuten Christian Kölln. In seiner Diplomarbeit an der TU Braunschweig hat er Enzyme der Hornhaut im menschlichen Auge charakterisiert und so wichtige Erkenntnisse für die Verstoffwechslung von Arzneimitteln bei Augenerkrankungen geliefert.
Hans Herloff Inhoffen und die gleichnamige Medaille:
Zum Gedenken an den 1992 verstorbenen Chemiker Prof. Hans Herloff Inhoffen veranstalten die TU Braunschweig und das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (damals noch: Gesellschaft für Biotechnologische Forschung, kurz GBF) seit 1994 regelmäßig die Inhoffen-Vorlesung, bei der der gleichnamige Preis vergeben wird. Inhoffen lehrte von 1946 bis 1974 an der TH Braunschweig und amtierte dort von 1948 bis 1950 als Rektor. Er gründete darüber hinaus 1965 das „Institut für Molekulare Biologie, Biochemie und Biophysik“ (IMB), das Vorläufer-Institut der GBF und damit des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung.