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Wenn Bakterien sich hartnäckig festsetzen

Forscher zeigen: Bei Dauerinfektionen bleiben viele Gegenmittel wirkungslos

Manche Menschen erkranken periodisch immer wieder an Streptokokken-Infektionen, leiden dabei unter schweren Mandelentzündungen, Scharlach oder Erisypel, einer schmerzhaften Hauterkrankung. Warum ihnen die medikamentöse Behandlung nur vorübergehend hilft, haben Forscher aus Braunschweig gemeinsam mit Kollegen in Minneapolis jetzt herausgefunden: Die Patienten erhalten nicht das richtige Antibiotikum.

 

„Mediziner verabreichen bei Streptokokken-Infektionen meist Penicillin“, sagt Prof. Singh Chhatwal, Bereichsleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Das ist, wie neuere Erkenntnisse vermuten lassen, nicht die optimale Wahl. „Seit Kurzem weiß man, dass die klinisch bedeutsamen Gruppe A-Streptokokken dauerhaft in menschlichen Zellen überleben können“, erklärt Helmholtz-Wissenschaftler Dr. Manfred Rohde. „Sie verstecken sich beispielsweise in den Zellen des Mandelgewebes.“ Lange Zeit machen sich die Bakterien dann nicht bemerkbar – irgendwann allerdings kommen sie wieder zum Vorschein und dringen in andere Körpergewebe vor, der Patient erkrankt aufs Neue.

 

Eine solche so genannte persistierende Infektion lässt sich mit Penicillin nicht dauerhaft besiegen. Der Grund: „Das Penicillin kann gar nicht in die Epithelzellen der Mandeln eindringen“, sagt Rohde. „Folglich stört es die dort überdauernden Streptokokken auch nicht.“ Eine mögliche Lösung sieht der Mikrobiologe darin, auf andere Antibiotika auszuweichen: „In unseren Zellkulturen zeigte sich, dass Medikamente wie Erythromycin oder Azithromycin sehr wohl in die Epithelzellen gelangen. Sie entfalten dort auch ihre Wirkung und töten die Keime, die sich im Zellinneren festgesetzt haben.“

 

„Natürlich muss die klinische Praxis erst noch zeigen, ob für den menschlichen Organismus dasselbe gilt wie für Zellkulturen im Labor“, schränkt Prof. Chhatwal ein. „Aber wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass in Zukunft Penicillin nicht mehr das Mittel der Wahl sein wird, wenn man persistierende und wiederkehrende Streptokokken-Infektionen behandelt. Man wird Antibiotika einsetzen, die in Epithelzellen vordringen können, und so verhindern, dass sich eine hartnäckige Dauer-Infektion festsetzt.“

 

Über Streptokokken

Die Streptokokken, vor allem die besonders aggressiven Gruppe A-Streptokokken, sind in der Umwelt weit verbreitet und in vielen menschlichen Hals-, Rachen- oder Mundabstrichen zu finden. Nicht jeder Träger dieser Bakterien wird krank, eine vorübergehende Schwächung des Immunsystems muss hinzukommen. Je nach Bakterien-Stamm und Infektionsort können die Keime sehr verschiedene Krankheitsbilder auslösen. Dazu gehören Scharlach, Erisypel und die nekrotisierende Fasziitis, bei der großflächig Gewebe abstirbt. Auch kariöse Zahnfäule wird von einer Streptokokken-Art ausgelöst. Gelangen sie über die Blutbahn an andere Stellen des Körpers, verursachen die Erreger Abszesse in Hals, Lunge und Leber, sogar lebensbedrohliche Herzklappenentzündungen.

 

Quelle

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: E. L. Kaplan, G.S. Chhatwal, M. Rohde: Reduced Ability of Penicillin to Eradicate Ingested Group A Streptococci from Epithelial Cells: Clinical and Pathogenic Implications.  Clinical Infectious Diseases. 2006:43 (1 December), pp. 1398-1405

 

 

Bild 1 („PEN_Azi-live_dead”)

 

Unterschiedliche Erfolge im Kampf gegen die verborgene Gefahr:

Mikroskopische Aufnahmen von mit Penicillin (Pen) und Azithromycin (AZI) behandelten Streptokokken im Inneren einer menschlichen Zelle. Das Bild zeigt eine so genannte „Live/Dead-Markierung“ mit einem Farbstoff, der abgetötete Bakterien rot erscheinen lässt, lebende, intakte Bakterien dagegen grün.

Foto: Helmholtz-HZI / Rohde

 

 

Bild 2 („Pen_Azi-Schnitte“)

 

Ultradünnschnitte von mit Penicillin (Pen) und Azithromycin (AZI) behandelten Streptokokken im Inneren einer menschlichen Zelle. Man erkennt sehr deutlich die massive Schädigung der Bakterien durch Azithromycin, während das häufig eingesetzte Antibiotikum Penicillin hier wirkungslos bleibt.

Foto: Helmholtz-HZI / Rohde

 

 

Bild 3 („Umschlag2_A_Opti_dhs“)

 

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Streptokokken-Bakterien, die gerade an Kollagenfasern binden.

Foto: Helmholtz-HZI / Rohde

 

 

Bild 4 („chhatwal_rohde_x1“)

 

Ketten als Bedrohung: Infektiöse Streptokokken werden im Rasterelektronenmikroskop sichtbar. Im Bild: Prof. Singh Chhatwal (links), Dr. Manfred Rohde.

Foto: Helmholtz-HZI