Schätzungsweise mehr als 250 Millionen Menschen sind weltweit chronisch mit dem Hepatitis B-Virus infiziert. In der Bekämpfung von Virusinfektionen spielen zytotoxische T-Zellen und T-Helferzellen eine wichtige Rolle. Die ständige Aktivierung dieser Immunzellen bei chronisch Infizierten führt langfristig zur Erschöpfung der Zellen. Ihre Aktivierbarkeit ist jedoch eine Voraussetzung, um von Immuntherapien zu profitieren. Infizierte Leberzellen werden zudem vom Virus dazu gebracht, große Mengen von Hepatitis B-Oberflächenproteinen („Hepatitis B Surface Antigen“, HBsAg) zu produzieren. Diese Proteine fangen Antikörper ab und schwächen so die Immunantwort zusätzlich. Daher gilt das HBsAg derzeit als ein entscheidender Faktor für die beeinträchtigte Immunantwort und wird zur sogenannten Stratifizierung von Patient:innen, also der risikoangepassten Einteilung in Behandlungsgruppen, für neue Therapieoptionen herangezogen.
In der aktuellen Studie hat das Team unter der Leitung von Prof. Markus Cornberg und Dr. Anke Kraft die T-Zell-Antwort von Patient:innen mit einer chronischen Hepatitis B-Virusinfektion untersucht. Cornberg, stellvertretender Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der MHH, leitet zusammen mit Kraft die Arbeitsgruppe „Infektiologie mit Schwerpunkt Hepatologie“ am CiiM, ist Klinischer Direktor des HZI und stellvertretender Koordinator des Forschungsbereichs „Hepatitis“ am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Die Forscher:innen fanden heraus, dass die T-Zell-Antworten nicht mit dem HBsAg-Spiegel im Blut assoziiert, sondern eher durch das Alter der Patient:innen beeinflusst waren. „Jüngere Patientinnen und Patienten, die vermutlich noch nicht so lange chronisch mit dem Virus infiziert sind, zeigen eine stärkere T-Zell-Antwort auf das Virus“, sagt Cornberg. „Da dies Voraussetzung für eine erfolgreiche Immuntherapie gegen das Virus ist, sollten neue Immuntherapien vor allem in diesen Patientinnen und Patienten untersucht werden.“
Zudem suchte das Team nach alternativen Biomarkern, um Therapieprognosen treffen zu können. Sie fanden heraus, dass die T-Zellen von Infizierten mit einem niedrigen Blutspiegel eines anderen Virusmarkers („Hepatitis B core-related Antigen“, HBcrAg) eine bessere Immunfunktion hatten. „Unsere Studie zeigt uns Faktoren auf, anhand derer wir Patientengruppen identifizieren können, bei denen eine Immuntherapie besonders erfolgversprechend sein kann“, sagt Kraft. Neue Methoden um Infektionskrankheiten individuell zu behandeln, sind auch das Ziel der Forschung von Prof. Yang Li, Co-Direktorin des CiiM und Leiterin der Abteilung „Bioinformatik der Individualisierten Medizin“ am HZI, die ebenfalls an der Studie beteiligt war. Sie sagt: „Bei vielen Infektionskrankheiten können wir bessere Therapieerfolge erzielen, wenn wir individuelle Unterschiede berücksichtigen. Mit dem Biomarker, den wir in dieser Studie beschreiben, machen wir in der Hepatitis B-Therapie einen Schritt in diese Richtung.“
Originalpublikation:
Elmira Aliabadi, Melanie Urbanek-Quaing, Benjamin Maasoumy, Birgit Bremer, Martin Grasshoff, Yang Li, Christian E Niehaus, Heiner Wedemeyer, Anke R M Kraft, Markus Cornberg. Impact of HBsAg and HBcrAg levels on phenotype and function of HBV-specific T cells in patients with chronic hepatitis B virus infection. Gut Published Online First: 26 October 2021. doi: 10.1136/gutjnl-2021-324646
Kommentar zur Veröffentlichung:
Bertoletti A, Boni C. HBV antigens quantity: duration and effect on functional cure. Gut. 2021 Nov 19:gutjnl-2021-326258. doi: 10.1136/gutjnl-2021-326258. Online ahead of print. PMID: 34799373