Dabei fanden sie unter anderem heraus, dass insbesondere Bakterien der Art Klebsiella oxytoca die Salmonellen auf mehreren Wegen unter Druck setzen können. Womöglich könnte auf Basis der Erkenntnisse einmal eine Therapie entwickelt werden, die einen ganz anderen Ansatz hat als die heute bekannten Behandlungen bei Infektionen: Statt Antibiotika gegen Salmonellen einzusetzen, die als Nebenwirkung das wichtige Mikrobiom schwächen, könnte man das Mikrobiom gezielt stärken und wehrhafter gegen Salmonellen machen. Die jüngsten Ergebnisse haben die Forschenden jetzt im Fachjournal Nature Microbiology veröffentlicht, eine für die Methodik wegweisende Studie der Wissenschaftler:innen ist bereits im Februar im Journal of Bacteriology erschienen.
Wenn ein Mensch etwas isst, beginnt im Darm ein Kampf um die Nahrung. Die verschiedenen Bakterien des Mikrobioms beginnen, die Nahrung zu zersetzen und Nährstoffe für sich daraus zu ziehen. Dabei konkurrieren sie nicht nur untereinander, sondern mitunter auch mit gefährlichen Eindringlingen wie Salmonellen oder sogenannten enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC). Gegen Salmonellen scheint eine bestimmte Bakterienart des Mikrobioms besonders schlagkräftig zu sein, wie ein internationales Team um Lisa Osbelt-Block und Till Strowig aus der HZI-Abteilung „Mikrobielle Immunregulation“ jetzt herausfand. Dabei handelt es sich um Bakterien vom Typ Klebsiella oxytoca. Sie wirken auf mehrere unterschiedliche Arten gegen Salmonellen – und das eröffnet grundlegend neue Therapieansätze, deren Prinzipien sich womöglich auch auf die Behandlung anderer Infektionskrankheiten übertragen lassen.
Bakterien des Mikrobioms nehmen den Salmonellen Nahrung weg
Wie genau Klebsiella oxytoca den Salmonellen zusetzt, ist jetzt im renommierten Fachmagazin Nature Microbiology nachzulesen. Bei der Forschung und der Publikation handelt es sich um eine internationale Teamleistung: Neben dem HZI sind unter anderem auch Wissenschaftler:innen von der Universität Graz in Österreich, dem Robert Koch-Institut (RKI) sowie vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in Braunschweig und Hannover beteiligt. Finanziell unterstützt wurde die Forschungsarbeit unter anderem vom europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESF), von der Joint Programming Initiative on Antimicrobial Resistance (JPIAMR) und dem österreichischen Wissenschaftsfonds.
Der erste Mechanismus, wie Klebsiella oxytoca Salmonellen unter Druck setzt, ist schlicht die Konkurrenz um Nahrung. „Man könnte es so beschreiben: Klebsiella oxytoca und Salmonellen haben gewissermaßen den gleichen Geschmack. Sie konkurrieren daher um die gleichen Nährstoffe. Wenn mehr das Gleiche wollen, dann setzt das alle unter Druck – und weil Klebsiella oxytoca etwas durchsetzungsfähiger ist, geraten insbesondere die Salmonellen ins Hintertreffen: Für sie ist weniger Nahrung da, was ihre Ausbreitung stört“, sagt Lisa Osbelt-Block.
Ein bislang als ausschließlich schädlich eingestuftes Toxin kann Salmonellen in Schach halten
Ein großer Anteil der Klebsiella oxytoca-Stämme kann außerdem ein Toxin ausschütten, eine für den menschlichen Darm schädliche Substanz. Das Forschungsteam fand nun überraschenderweise heraus, dass das Toxin von Klebsiella oxytoca auch gegen die Salmonellen wirkt. Das ist zum Teil ein Paradigmenwechsel: Bisher waren ausschließlich negative Wirkungen des Toxins bekannt, es erschien keinen Nutzen zu haben, dass ausgerechnet ein Bakterium des Mikrobioms ein solches Toxin ausschüttet. „Mit der Wirkung des Toxins auf die Salmonellen könnte man sich die Ausschüttung des Toxins ein Stück weit evolutionär erklären. Interessanterweise findet man Stämme, die das Toxin produzieren können, insbesondere im Mikrobiom von Kindern. In manchen Studien finden sich Toxin-produzierende Stämme bei fast jedem zweiten Kind. Auch das ergibt jetzt zumindest theoretischerweise ein wenig Sinn“, sagt Till Strowig.
Trotzdem sehen die Wissenschaftler:innen im Ankurbeln der Ausschüttung des Toxins keine therapeutische Option. „Die schädigende Wirkung des Toxins steht weiterhin deutlich im Vordergrund. Daher ist es zur Vorbeugung gegenüber einer Salmonellen-Infektion oder zur Bekämpfung derselben eher erstrebenswert, die Menge an Klebsiella oxytoca auf einem stabilen Mittelmaß zu halten“, sagt Lisa Osbelt-Block. Hinweise, wie das gelingen könnte, hat das Forschungsteam auch bereits gefunden: Offenbar führt eine zucker- und kohlenhydratreiche Ernährung dazu, dass Klebsiella oxytoca mehr Toxin ausschüttet. Eine zucker- und kohlenhydratarme Ernährung hingegen bewirkt, dass das Bakterium weniger Toxin ausschüttet.
Auch ein vielfältiges Mikrobiom schützt vor Salmonellen
Die Forschenden suchen nun noch nach anderen, spezielleren Möglichkeiten, wie sich die Menge an Klebsiella oxytoca und die Toxinausschüttung beeinflussen lassen. „Wenn wir hier wirksame Hebel finden und man beispielsweise durch eine bestimmte Ernährungsweise oder die Einnahme bestimmter Substanzen Klebsiella oxytoca gezielt beeinflussen kann, dann eröffnet das eine völlig neue Perspektive: Man könnte das Mikrobiom gezielt stärken“, sagt Till Strowig. Angesichts der aktuellen Therapieoption einer schweren Salmonelleninfektion wäre das ein enormer Fortschritt: Derzeit werden Antibiotika verabreicht – und die greifen immer auch das Mikrobiom im Darm an. Besonders in den vergangenen Jahren kristallisierte sich zunehmend heraus, dass eine vermehrte Einnahme von Antibiotika das Mikrobiom nachhaltig beeinträchtigen kann. „Es dezimiert auch die Vielfalt des Mikrobioms. Und ein vielfältiges Mikrobiom ist bekanntermaßen gesund und wichtig. Das gilt übrigens auch für die Wehrhaftigkeit gegen Salmonellen: Je mehr verschiedene Stämme im Mikrobiom sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einige Stämme wie Klebsiella oxytoca mit den Salmonellen um die verbleibenden Ressourcen konkurrieren“, sagt Lisa Osbelt-Block.
Eine neu etablierte Methode ermöglicht auch die Untersuchung anderer Bakterien des Mikrobioms
Neben der Suche nach Möglichkeiten zur gezielten Beeinflussung von Klebsiella oxytoca und naher Verwandter versuchen Osbelt-Block, Strowig und ihr Team auch die Wirkweise von Klebsiella oxytoca besser zu verstehen. Dazu schalten Sie bei dem Bakterium gezielt Gene ein und aus – und das, während es im Verdauungstrakt von Tieren ist. Über die Anwendung dieser Methode haben die Forschenden bereits eine Publikation im Februar im Fachmagazin Journal of Bacteriology veröffentlicht. Die Methode, die mit der Anwendung der Genschere CRISPR verwandt ist, könnte auch dazu dienen, die Funktion anderer Bakterien im Mikrobiom zu analysieren. Hier gibt es noch viel zu entdecken, denn Expertenschätzungen zufolge besteht das Mikrobiom häufig aus mehr als 500 Spezies.
Text: Dr. Christian Heinrich