Antibiotika sind häufig die einzige Behandlungsoption bei bakteriellen Infektionen. Meist haben sie jedoch den unschönen Nebeneffekt, auch nützliche Bakterien – zum Beispiel im Darm – abzutöten und so teilweise für Wochen die Verdauung zu stören. Seit einigen Jahren nimmt die Erforschung des Mikrobioms, also der Bakteriengemeinschaften im und auf dem menschlichen Körper, zunehmend Fahrt auf. Mittlerweile ist bekannt, dass ein intaktes Mikrobiom die Immunabwehr stärkt, den Verlauf vieler Erkrankungen beeinflusst und auch vor Infektionen schützen kann. Vor diesem Hintergrund diskutieren der Wirkstoffforscher Mark Brönstrup und der Mikrobiomforscher Till Strowig vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) darüber, ob Antibiotika noch zeitgemäß sind und welche Erkenntnisse über das Mikrobiom sich für die Behandlung von Infektionen nutzen lassen.
Was können Antibiotikaforschung und Mikrobiomforschung voneinander lernen?
Mark Brönstrup: Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionen können wir von der Mikrobiomforschung lernen, über welche Mechanismen Bakterien miteinander kommunizieren, sich aber auch gegenseitig in Schach halten. Die Bakterien schaffen es, dass in ihren Gemeinschaften nicht eine Population überhandnimmt und alle anderen überwuchert. Die Strategien, die von anderen Mitgliedern des Mikrobioms entwickelt werden, um das Wachstum zu hemmen, können wir vielleicht auch für therapeutische Zwecke nutzen.
Till Strowig: Wir interessieren uns dafür, wie mikrobielle Gemeinschaften den Menschen beeinflussen. Hierfür müssen wir auch verstehen wie Mitglieder dieser Gemeinschaften miteinander kommunizieren und im Wettbewerb stehen. Die Prinzipien, die die klassischen Antibiotika nutzen, finden auch teilweise im Mikrobiom statt. Deshalb gibt es in der Mikrobiomforschung die Bestrebungen, sozusagen als Schnittstelle zur Antibiotikaforschung, aus DNA-Sequenzen des Mikrobioms herauszulesen, wie Bakterien antibiotische Substanzen selbst bilden. Das dominante Thema im Zusammenhang mit Antibiotika ist aber deren ungewollter Nebeneffekt, das Mikrobiom zu schädigen.