In Deutschland leben etwa 32.000 bis 40.000 Menschen mit einer Sarkoidose. Diese Erkrankung macht sich meist durch knotenförmige Gewebeveränderungen bemerkbar und betrifft vor allem die Lungen. Mediziner unterscheiden zwischen akuter oder chronischer Sarkoidose, die Ursache ist jedoch in beiden Fällen ungeklärt. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben nun ein Molekül identifiziert, das darüber Auskunft gibt, welche der beiden Krankheitsverläufe wahrscheinlich ist und das darüber hinaus therapeutisches Potential besitzt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler im Journal „Clinical and Experimental Immunology“.
Sarkoidose ist eine entzündliche Erkrankung, die in zwei Formen auftreten kann. Die chronische Sarkoidose ist mit etwa 95 Prozent die häufigere. Rund die Hälfte aller Fälle bleibt symptomfrei. Die akute Sarkoidose, das sogenannte Löfgren-Syndrom, tritt sehr plötzlich auf und macht sich unter anderem durch Hautveränderungen und Lymphknotenschwellungen bemerkbar. Was die Erkrankung verursacht, ist bisher unbekannt.
„Wir wissen aber seit mehreren Jahren, dass Patienten eine reduzierte Anzahl regulatorischer T-Zellen und eine vergleichsweise hohe Anzahl aktivierter T-Helferzellen in der Lunge aufweisen“, sagt Prof. Dunja Bruder, Leiterin der Arbeitsgruppe „Immunregulation“ am HZI und Professorin für Infektionsimmunologie an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. „Auf diese Erkenntnis haben wir uns bei der Suche nach einem prognostischen Marker gestützt.“ T-Zellen übernehmen im Immunsystem verschiedene Funktionen bei der Erkennung und Abwehr von Eindringlingen. Während die sogenannten regulatorischen T-Zellen verhindern, dass versehentlich intaktes körpereigenes Gewebe angegriffen wird, unterstützen T-Helferzellen hingegen die Funktion anderer Abwehrzellen.
Gemeinsam mit dem Team von Prof. Jan Wahlström, ebenfalls Letztautor der Studie, vom Karolinska Institut in Stockholm, Schweden, analysierten Bruder und ihr Team die Ausprägung des eng mit der T-Zellfunktion in Verbindung stehenden Moleküls ICOS bei Sarkoidose-Patienten. ICOS verstärkt die Wirkung von regulatorischen T-Zellen und die Forscher können diesen Zelltyp daran erkennen. „Wir konnten zeigen, dass die Anzahl von ICOS-Molekülen auf den regulatorischen T-Zellen insbesondere bei Patienten mit Löfgren-Syndrom in der erkrankten Lunge stark erhöht war“, sagt Dr. Priya Sakthivel, Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe von Bruder am HZI. „Im Blut der Patienten hingegen war das Level identisch mit dem von gesunden Menschen.“
Eine besonders hohe Konzentration von ICOS auf regulatorischen T-Zellen deutet also zum einen auf einen akuten Sarkoidose-Verlauf hin und könnte darüber hinaus sogar im ursächlichen Zusammenhang damit stehen, dass sich die Krankheitszeichen bei Patienten mit Löfgren-Syndrom auch ohne Behandlung wieder zurückbilden. „Wir haben damit erstmals einen diagnostischen Marker für Sarkoidose gefunden“, sagt Bruder. „Ein erster Schritt, um mehr über die Krankheit und ihre Ausprägung zu erfahren.“
Zumal ICOS auch noch in anderer Hinsicht von Interesse ist: „In einer früheren Studie mit Influenza-Viren haben wir gezeigt, dass ICOS von außen gezielt aktiviert und so der Verlauf der Infektion abgemildert werden kann. Durch gezielte therapeutische Manipulation können T-Zellen, die das Molekül tragen, neue Funktionen erlangen und eine völlig neue Wirkung auf seine Umgebung entfalten“, sagt Sakthivel. Dadurch wird ICOS auch für therapeutische Zwecke interessant. Dank gezielter Aktivierung des Moleküls könnte sich die Wirkung regulatorischer T-Zellen beeinflussen lassen und damit auch der Verlauf der Sarkoidose-Erkrankung.
Originalpublikation:
Priya Sakthivel, Johan Grunewald, Anders Eklund,Dunja Bruder and Jan Wahlström. Pulmonary sarcoidosis is associated with high-Level ICOS Expression on lung regulatory T cells-possible implications for the ICOS/ICOS-L axis in disease course and Resolution. Clinical and Experimental Immunology. 2015 Sep 28. DOI: 10.1111/cei.12715