Tuberkulose – eine stille Pandemie

Tuberkulose
Tuberkulose

Tuberkulose gehört zu der Riege der „großen Drei“ Infektionskrankheiten – gemeinsam mit Aids und Malaria. In Europa ist die Tuberkulose fast vergessen – die Zeiten der Kameliendame und des Mann`schen Zauberbergs scheinen vorbei. Ein Eindruck, der trügt.

Weltweit fällt alle 22 Sekunden ein Mensch dem Mycobacterium tuberculosis zum Opfer – das sind 4000 Tote pro Tag. In Süd-Ost-Asien und Afrika ist die Tuberkulose weit verbreitet, und seit etwa 20 Jahren nimmt die Zahl der resistenten Erreger stetig zu. 2019 wurden über 200.000 Infektionen mit multiresistenten Stämmen von Mycobacterium tuberculosis erfasst – eine Steigerung um zehn Prozent gegenüber 2018. Kaum ein Antibiotikum wirkt gegen diese multiresistenten Erreger, und mit dem Reiseverkehr und Migrationsbewegungen verbreiten sie sich weltweit.

Ebenfalls weltweit wird an neuen Strategien gegen den Erreger geforscht – an neuen Antibiotika und Impfstoffen. Bislang mit wenig sichtbarem Erfolg – das Mycobacterium tuberculosis versteckt sich vor der geballten Initiative wie eh und je in den Mastzellen der Lunge und wartet darauf, dass das Immunsystem seines Wirtes geschwächt wird.

Wissenschaftler:innen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung suchen nach neuen Strategien gegen diese Krankheit – vor allem suchen sie nach neuen Wirkstoffen, die nach gänzlich anderen Prinzipien funktionieren als die Wirkstoffe, die die Medizin bislang einsetzt. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Forschungskonsortium, das aus Geldern der Europäischen Union finanziert wird. Dieses Konsortium setzt sich aus bewährten Forschungspartnerschaften zusammen. Die Wissenschaftler:innen des Verbundes „NoPersist“ forschen seit Jahrzehnten gemeinsam an Tuberkulose. Mit Tausenden Substanzen aus der Substanzbibliothek des HZI tasten sie sich Gen für Gen an neue Angriffspunkte von Mycobacterium tuberculosis. Eine Schwierigkeit bleibt jedoch: die besondere Fähigkeit der Bakterien, sich vor dem Immunsystem und Medikamenten zu verstecken.

Ein Antibiotikum kann nur wirken, wenn Mycobacterium tuberculosis aktiv ist und die Bakterien sich vermehren, der Patient also an einer Tuberkulose leidet. An diesem Punkt setzen andere Wissenschaftler:innen des HZI an: Sie suchen – in denselben Substanzdatenbanken – nach Stoffen, die auf ruhende Organismen wirken. Ihre Hoffnung ist, mit neuen Substanzen die Lebensfunktionen der in der Lunge wartenden Bakterien abschalten zu können, ohne dass die Tuberkulose für eine Therapie erst ausbrechen muss. Auch an der Prävention ist das HZI – indirekt – beteiligt: Die eng an das HZI assoziierte VPM (Vakzine Projekt Management GmbH) begleitet derzeit einen vielversprechenden Lebendimpfstoff durch die klinische Prüfung.

Auch die Forschungsgruppe Mikrobielle Naturstoffe unter der Leitung von Rolf Müller entwickelt neue Wirkstoffe zur Bekämpfung von Tuberkulose. In einem von der Bill & Melinda Gates Foundation geförderten Kooperationsprojekt mit der Evotec SE untersuchen insgesamt zehn Wissenschaftler:innen natürlich vorkommende Strukturen auf ihre Wirksamkeit gegen Tuberkulose und Malaria.

HIV und Tuberkulose

In Afrika ist südlich der Sahara die Kombination aus Tuberkulose und Infektionen mit dem HI-Virus ein besonders großes Problem: Patient:innen mit einer HIV-Infektion haben ein etwa 18-mal höheres Risiko, an einer Tuberkulose zu erkranken, als Patient:innen ohne HIV, da deren Immunsystem durch das HI-Virus stark geschwächt ist. Die Tuberkulose bei AIDS-Patient:innen bricht in jedem Fall aus und die meisten Todesfälle von HIV-Patient:innen in afrikanischen Ländern südlich der Sahara gehen letztlich auf das Konto von Mycobacterium tuberculosis. 2019 infizierten sich etwa 820.000 HIV-Patient:innen zusätzlich mit dem Tuberkulose-Erreger, für 208.000 verlief die Infektion tödlich.

(jsg)